Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

NECK, Rudolf: Über die Abschiedsbriefe des Kronprinzen Rudolf

Miszellen 497 Die Existenz dieser Briefe ist oft angezweifelt worden, bis vor mehr als zwanzig Jahren als erster der an die Erzherzogin Stephanie vollinhalt­lich und auch im Faksimile publiziert wurde* 16). Das Orginal dieses Briefes Rudolfs ist zusammen mit anderen Schriften aus dem Nachlaß der Kron­prinzessin im Herbst 1955 von einem Berliner Antiquariat zum Kaufe angeboten worden und dem Vernehmen nach in die U.S.A. gelangt. An der Authentizität dieses Schreibens ist trotz gelegentlich geäußerter Zweifel17) nicht zu rütteln. Von den übrigen Abschiedsbriefen Rudolfs ist bisher kein authentischer Text bekannt. Es ist auch ungewiß, wann und wo sie verfaßt wurden. Sicher dürfte der an seine Mutter erst kurz vor seinem Tode geschrieben worden sein, wahrscheinlich bereits nach dem Tod Marys 18 *). Die Vermutung, daß er sich in der von der Kaiserin in Brünn deponierten Kassette befunden habe18), hat sich als unrichtig erwiesen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er vernichtet wurde20). Die übrigen Abschiedsbriefe Rudolfs, von denen wir wissen, wurden wahrscheinlich schon am 28. Jänner in Wien geschrieben. Hier ist zunächst der eingangs erwähnte Brief an seine Schwester Valerie zu nennen21) sowie der Brief an seinen intimen Freund Ladislaus Szögyény22). Von diesem waren bisher nur Bruchstücke und eine Fassung bekannt, die mit dem Wortlaut des Originals eingestandenermaßen nicht übereinstimmt23). Im authentischen Text wurde er bisher nicht mitgeteilt. Immerhin hatte man zeitweise die Absicht, einen Satz aus dem Text, wie er vorlag, auf das Denkmal des Kronprinzen Rudolfs in Budapest zu setzen24). Aus einem anderen Satz wurden weitgehende Schlüsse über die Motive des Selbst­mordes gezogen25). Beide Sätze sind — wie sich nunmehr herausstellt — falsch20). Der im folgenden wiedergegebene Text dieses Abschiedsbriefes beruht auf einer Fotokopie. Anläßlich der Neuordnung der Foto-Platten-Sammlung vember 1955, S. 14. Planitz, a. a. O., S. 100. Borgese, a. a.O., S. 237 f. Das Mayerling-Original S. 58. Vergl. auch Heinrich v. Slatin im Neuen Wiener Tag­blatt Nr. 224 vom 15. August 1931, S. 22. 16) Prinzessin Stephanie von Belgien, Fürstin von Lónyay, Ich sollte Kai­serin werden. Leipzig 1935, S. 204 ff., s. auch Juliana v. Stockhausen, Im Schatten der Hofburg. Wien 1952, S. 29 und 190 f. 17) Ugek, La tragédie de Mayerling. Brüssel 1953, S. 147 ff. 18) Corti, Elisabeth, S. 421 f. Maurice Paléologue, Vertrauliche Gespräche mit der Kaiserin Eugenie. Dresden 1928, S. 179. Die „Münchner Neuesten Nach­richten“ brachten bereits am 8. Februar 1889 die Meldung, daß dieser Brief in der letzten Nacht geschrieben wurde (Das Mayerling-Original, S. 90 f.). 10) Baron Lafaurie, Mes Souvenirs. La vérité sur Mayerling. Paris 1937, S. 113 f. 20) Bibi, a. a. O., S. 145 ff. 21) Corti, Elisabeth, S. 421 f. Corti-Sokol, a. a. O., S. 128, 135. 22) Mitis, a. a. O., S. 126. 2S) Nach einer ersten Veröffentlichung von Moriz Jókai im „Nemzet“ in der „Wiener Abendpost“ Nr. 29 vom 5. Februar 1889. 24) Mitis, a. a. 0., S. 126. 25) Bibi, a. a. O., S. 287. 2G) Dem authentischen Wortlaut am nächsten kommt noch Corti-Sokol, a. a. 0„ S. 131. Mitteilungen, Band 11 32

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