Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 493 eine vorläufige Zustimmung der weltlichen Behörden gebunden zu seyn. § 2. Den katholischen Bischöfen steht es frei, über Gegenstände ihrer Amts­gewalt und innerhalb der Gränzen derselben an ihren Clerus und ihre Gemein­den ohne vorläufige Genehmigung der Staatsbehörde Ermahnungen und An­ordnungen zu erlassen; sie haben jedoch von ihren Erlässen, in soferne sie äußere Wirkungen nach sich ziehen, gleichzeitig den Regierungsbehörden, in deren Bereich die Kundmachung erfolgen, oder die Anwendung geschehen soll, Abschriften mitzutheilen. § 3. Die Verordnungen, durch welche die Kirchengewalt bisher gehindert war, Kirchenstrafen, die auf bürgerliche Rechte keine Rückwirkung üben, zu ver­hängen, werden außer Kraft gesetzt. § 4. Der geistlichen Gewalt steht das Recht zu, Jene, welche die Kirchenämter nicht der übernommenen Verpflichtung gemäß verwalten, in der durch das Kirchengesetz bestimmten Form zu suspendiren oder abzusetzen, und sie der mit dem Amte verbundenen Einkünfte verlustig zu erklären. § 5. Zur Durchführung des Erkenntnisses kann die Mitwirkung der Staats­behörden in Anspruch genommen werden, wenn denselben der ordnungsmäßige Vorgang der geistlichen Behörde durch Mittheilung der Untersuchungsacten nachgewiesen wird. § 6. Mit der Durchführung dieser Bestimmungen ist Mein Minister des Cultus und Unterrichts beauftragt1). Franz Joseph m. p. Thun m. p. 2. Kaiserliche Verordnung vom 23. April 1850, wirksam für alle jene Kron- länder, für. welche das Allerhöchste Patent vom 4. März 1849 erflossen ist, mit welcher die Beziehungen der katholischen Kirche zum öffentlichen Unterrichte näher bestimmt werden. In Erwägung der §§ 2, 3 und 4 des Patentes vom 4. März 1849, genehmige Ich nach dem Anträge Meines Ministers des Cultus und Unterrichts und über Einrathen Meines Ministerrathes für alle Kronländer, für welche jenes Patent erflossen ist, nachstehende Bestimmungen: § 1. Niemand kann an niederen oder höheren öffentlichen Lehranstalten, als katholischer Religionslehrer oder Professor der Theologie wirken, ohne die Ermächtigung hiezu von dem Bischöfe erhalten zu haben, in dessen Diöcese sich die Anstalt befindet. § 2. Der Bischof kann, Jemanden ertheilte Ermächtigung jederzeit wieder ent­ziehen; die bloße Entziehung dieser Ermächtigung macht jedoch einen von der Regierung angestellten Lehrer nicht des ihm gesetzlich zustehenden Anspruches auf einen Ruhegehalt verlustig. § 3. Es bleibt Sache der Regierung, Männer, welche vom Bischöfe die Ermäch­tigung zum Vortrage der Theologie erhalten haben, an den theologischen x) Der zweite Teil der kaiserlichen Entschließung vom 18. April 1850, durch den vor allem jeder Bischof das Recht erhielt, „den Gottesdienst seiner Diözese im Sinne der von der Versammlung der Bischöfe gefaßten Beschlüße zu leiten“, wurde nicht im RGBl., sondern in der Erledigung an die Bischöfe vom 29. April und in der Verordnung Thuns vom 15. Juli 1850 publiziert. Dieser zweite Teil beschäftigte sich außerdem noch mit Detailfragen der geistlichen Gerichtsbarkeit, mit dem kaiserlichen Ernennungsrecht für Bischöfe, der Be­setzung geistlicher Pfründen und Ämter, der Pfarrkonkursprüfung und der Sonntagsheiligung.

Next

/
Thumbnails
Contents