Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
BLAAS, Richard: Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana
42 Richard Blaas Die Rota war in den ersten Zeiten ihres Bestehens ein rein kirchlicher Gerichtshof und im wesentlichen mit kirchlichen Zivilstreitigkeiten befaßt13), vor allem solchen, die sich auf den Erwerb und Besitz kirchlicher Pfründen bezogen. Die Entwicklung der richterlichen Kompetenz der Rota nahm aber in den späteren Jahrhunderten eine ganz andere Richtung. Zu Beginn des 14. Jh. war die Rota noch keinesfalls für die weltlichen Sachen aus dem Kirchenstaat zuständig. Im Laufe der Zeit wurden ihr aber auch die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus dem Kirchenstaat in den Berufungsinstanzen zugewiesen. Noch zu Beginn des 17. Jh. war die Rota, wie die Bulle des Papstes Paul V. vom 1. März 1611 Unwersi Agri14) dokumentiert, der ordentliche Gerichtshof für die kirchlichen Zivilsachen aus der ganzen Christenheit und für die weltlichen Rechtshändel aus dem Kirchenstaat Berufungsinstanz. Aber schon um die Mitte des 17. Jh. ist ihr Kompetenzbereich bedeutend eingeengt. Die Rota ist nur mehr für einen beschränkten Kreis von Prozessen zuständig und dieser Kreis verengt sich immer mehr. Die eigentlichen Gründe für die Einschnürung der Zuständigkeit der Rota sind einerseits die Ausbreitung des Protestantismus in Mittel- und Nordeuropa, andererseits die Reorganisierung der Kurie durch Papst Sixtus V. 1587 durch Errichtung ständiger Kardinalskongregationen. Diese Kongregationen zogen immer mehr Rechtsstreitigkeiten vor ihr Forum. Einen in der Folgezeit noch sehr spürbaren Grund für die Kompetenzminderung der Rota bildet das Heraufkommen des fürstlichen Absolutismus gerade an den katholischen Höfen, der immer mehr auch rein kirchliche Agenden an sich zog und die Rekurse nach Rom soweit als möglich zu unterbinden suchte. So vollzog sich schon im Laufe des 18. Jh. die Verlagerung der kirchlichen Gerichtsbarkeit in die Kardinalskongregationen. Sie alle entscheiden zwar in einer außergerichtlichen und mehr ökonomischen, aber jedenfalls der Natur der geistlichen Angelegenheiten mehr angemessenen Weise die streitigen Rechtsfälle aus dem ganzen Gebiet des Kirchenrechtes, besonders auch die Benefizialangelegenbeiten. Der Zuständigkeitsbereich der Rota hingegen erfuhr eine Ausweitung in Richtung auf die weltliche Gerichtsbarkeit innerhalb des Kirchenstaates. Obwohl die Jurisdiktion der Rota in rein geistlichen Sachen niemals ausdrücklich und vollständig aufgehoben wurde, überwogen doch immer mehr die rein bürgerlichen Rechtssachen aus dem weltlichen Machtbereich der Kirche. Es war daher beinahe nur mehr die Kodifizierung einer bereits 13) Zur Frage des Kompetenzbereiches der Rota, vgl. Schneider, Die Verfassung der Rota, S. 61—86, Cerchiari, a. a. O., vol. I. cap. XXVIII. De s. r. Rota competentia und Franz Große-Wietfeld, Justizreformen im Kirchenstaat in den ersten Jahren der Restauration, Ein Beitrag zur Geschichte der kúriaién Gerichtsbehörden und der Entwicklung des kanonischen Prozeßrechtes. (Paderborn 1932), S. 163 ff. Die römische Rota. 14) Cerchiari, a. a. O., vol. III. Documenta, nr. 197. Auditorium nostri palatii, in quo universorum Christi fidelium graviores causae mature cognos- cuntur et juste terminantur.