Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850
490 Erika Weinzierl-Fischer die weltlichen Behörden deßhalb vorerst an seinen kirchlichen Vorgesetzten zu wenden.“ Es wurde einstimmig beschloßen, statt der Schlußworte „zu wenden“ den Ausdruck zu gebrauchen: „sich in das Einvernehmen zu setzen“ —, damit daraus nicht etwa gefolgert werden könne, die Kirchengewalt habe die Befug- niß, die von der Staatsverwaltung nothwendig befundene Entfernung eines Geistlichen vom Amte zu verweigern. Die politische Haltung mancher Bischöfe in verschiedenen Kronländern und der stattgefundene Mißbrauch der Kirchengewalt zur Förderung revolutionärer Zwecke haben die Nothwendigkeit herausgestellt, den Einfluß der Staatsgewalt auf die Entfernung gefährlicher Priester vom Amte sorgfältig zu wahren. 6. Der § 4 lautet im Entwürfe: „Zur Durchführung des Erkenntnißes kann die Mitwirkung der Staatsbehörden in Anspruch genommen werden, wenn der ordnungsgemäße Vorgang der geistlichen Behörden durch Mittheilung der Untersuchungsakten nachgewiesen wird.“ Zur Beseitigung jeden Zweifels über die Deutung dieses Paragraphen wurde nach dem Anträge des Ministers des Innern beschloßen, nach dem Worte wenn einzuschalten „denselben“. 7. Seite 12 erscheint folgender Satz: „In der Seiner Majestät zustehenden Ernennung der Bischöfe erkennen Allerhöchstdieselben ein von Ihren erlauchten Vorfahren überkommenen Recht, welches die Kirche den katholischen Landesfürsten mit Beziehung auf das persönliche Verhältniß, in welchem derselbe zur Kirche steht, verliehen hat und für dessen Ausübung Seine Majestät Gott und der Kirche verantwortlich sind.“ Der Finanzminister, mit welchem sich die mehreren Stimmen vereinigten, fand es bedenklich, hier einen a.h. Ausspruch über die Devolution des Ernennungsrechtes von der Kirche an den Landesfürsten und über die Verantwortlichkeit a 11erhöchstdesse1ben gegen die Kirche aufzunehmen. Es sei durchaus keine Notwendigkeit vorhanden, diese seit mehr als einem Jahrtausend streitige Frage, an welche sich die wichtigsten, zum Theil unabsehbaren Folgerungen knüpfen, hier förmlich zu entscheiden und eine Verantwortlichkeit Seiner Majestät gegen die Kirche anzuerkennen, welcher man in der Folge eine unerwartete Tragweite zu geben versuchen könnte. 8. Zur Seite 13 des Entwurfs bemerkte der Kultusminister, daß, wenn gleich die Frage über den Einfluß des jeweiligen Kultusministers auf die Besetzung von Bißthümern als außer dem Bereich der vorliegenden Erledigung liegend, ausgeschieden wird, den Wünschen des Episkopats dermalen noch insoweit nachgegeben werden dürfte, daß in den ämtlichen Verlautbarungen a.h. Ernennungen für Bißthümer nicht ausdrücklich erwähnt werde, die Ernennung sei über Antrag des Ministers erfolgt. 9. Seite 14 wurde beschloßen, den Ausdruck „Forderungen der Zeit“ durch einen angemeßeneren zu ersetzen. 10. Der Justizminister sprach die Besorgniß aus, daß in Folge der über die theologischen Studien in den Seminarien zu erlassenden Bestimmungen dieses hochwichtige Studium an den Universitäten vernachläßigt werden und in Verfall gerathen werde. Den Bischöfen werde auch über die theologischen Professoren eine Macht eingeräumt, welche zu einseitigen, der wahren Wissenschaft widersprechenden Bestrebungen führen kann. Der Finanzminister äußerte, der Staat könne die so wichtigen Bildungsanstalten für die Geistlichkeit nicht ganz in den Händen der kirchlichen Oberen