Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 489 der Minister der Justiz, Kitter von Schmerling, der Minister des Handels etc., Freiherr von Bruck, der Minister des Cultus, etc., Graf von Thun, der Landeskultur etc., Ritter von Thinnfeld, Freiherr von Kulmer, der FML. und Stellvertreter des Kriegsministers, Graf von Degenfeld. Abwesend: Die Minister Graf von Stadion und Gf. von Gyulay. Gegenstand der heutigen Berathung war der, dem Protokolle beigeschloßene Entwurf der Erledigung, welche den in Wien 1849 versammelt gewesenen katho­lischen Bischöfen Österreichs über ihre an das Kultusministerium gerichteten Eingaben zu ertheilen wäre. Der Kultusminister las den vorliegenden Entwurf sammt Beilagen voll­ständig vor, und es wurden an demselben die nachfolgend bezeichneten Modi­fikationen beschloßen. 1. Die Stimmenmehrheit entschied sich, über Vorschlag des Ministers Baron Krauß pg. 4 folgende Stelle wegzulassen: „Doch wenn die katholische Kirche hinsichtlich der in § 2 bezeichneten Rechte den andern gesetzlichen Religions­gesellschaften gleichgestellt ist“ —, weil diese Gleichstellung bereits früher aus­gesprochen wird, die Wiederholung nicht nöthig erscheint, und dieser Passus, wenn die Erledigung in das größere Publikum kömmt, bei mindererleuchteten Katholiken üblen Eindruck machen könnte. Baron Bruck stimmte für die ungeänderte Textierung des Entwurfes. 2. Der Finanzminister machte aufmerksam, daß folgende Stelle S. 5 Mitglieder anderer Konfessionen verletzen dürfte: „Im Übrigen hat die Regie­rung Seiner Majestät niemals verkannt, daß die katholische Kirche auf den Glauben an ihre göttliche Einsetzung beruhend, nicht gleich anderen Gesellschaften ihre eigenen Gesetze willkürlich ver­ändern kann.“ Denn jede Religionsgesellschaft hält auf den Glauben an ihren göttlichen Ursprung und die daraus sich ergebenden Konsequenzen. Es wurde daher beschloßen, jeder Mißdeutung dieser Stelle durch eine veränderte Fassung zu begegnen. 3. Die Bestimmung Seite 10: „Der geistlichen Gewalt steht das Recht zu, jene welche die Kirchenämter nicht der übernommenen Verpflichtung gemäß ver­walten, in der durch das Kirchengesetz bestimmten Form zu suspendiren oder abzusetzen, und sie der mit dem Amte verbundenen Einkünfte verlustig zu erklären“, veranlaßte den Finanzminister mit Beziehung auf seine bereits bei der ersten Berathung des Gegenstandes entwickelten Gründe zu erklären: er fände es nicht angezeigt, der Kirchengewalt das Recht zur einseitigen Ent­lassung eines Seelsorgers einzuräumen, nachdem der letztere zugleich Staats­diener ist und somit die von der Kirche verfügte Entlassung auch in das Gebieth der Staatsgewalt hinübergreift. 4. Über Antrag des Ministers Dr. Bach wurde beschloßen, folgende Bestimmung (p. 12) aus dem Gesetze zu streichen: „Wird ein Geistlicher von den weltlichen Gerichten wegen Verbrechen oder Vergehen verurtheilt, so ist hievon, bevor die Strafe in Vollzug gebracht wird, dem Bischöfe des Verurtheilten die Anzeige zu machen und sind dem Bischöfe auf sein Verlangen die Verhandlungsakten mitzutheilen. Diese Bestimmung enthält nehmlich außer der zugesicherten Aktenmit­theilung keine neue Anordnung; selbe kann daher füglich weggelassen und nur in der Erledigung einfach bemerkt werden, daß die Mittheilung der Akten an den Bischof keinem Anstand unterliege. 5. Seite 11 des Entwurfes erscheint folgende Bestimmung (§ 5): „Wenn ein Geistlicher seine Stellung und die ihm in derselben für kirchliche Zwecke zu­stehenden Befugniße zu anderen Zwecken in der Art mißbraucht, daß seine Entfernung vom Amte sich der Regierung als nothwendig darstellt, haben sich

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