Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850
Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 487 2. wird in Betreff gewisser Angelegenheiten, welche bisher als der bürgerlichen Gesetzgebung ausschließlich angehörig behandelt wurden, — verlangt, daß sie als in das Bereich der geistlichen Gewalt gehörig, anerkannt werden, wobei jedoch die bisherigen Vorschriften für zweckmäßig erklärt werden, daher keine wesentliche Änderung angestrebt, sondern vielmehr zugesichert wird, sich im Wesentlichen kirchlicherseits darnach benehmen zu wollen, so in Beziehung auf die Bildung der Geistlichen, auf die Bedingungen ihrer Zulassung zu Kirchenämtern, auf die Aufnahme in geistliche Orden, und auf den Gottesdienst; 3. werden wesentlich neue Bestimmungen verlangt, in der Absicht die bürgerliche Gesetzgebung mit der kanonischen in Einklang zu setzen, den Einfluß weltlicher Gewalt auf geistliche Angelegenheiten neu zu regeln, und umgekehrt, den Einfluß der Kirche auf Angelegenheiten, von welchen es für wünschenswert erkannt wird, daß sie der weltlichen Gewalt anvertraut bleiben, doch zu erweitern. Hierher sind zu rechnen: a) Die Ehefrage; b) das Patronatsverhältniß; c) die 1. f. Pfründenverleihung; d) die Schul- und Studienfrage; e) die Religions-, Studien- und Schul- fonde; f) die Verwaltung des geistlichen Vermögens. Eine jede dieser Fragen kann abgesondert behandelt werden; und ihre abgesonderte Behandlung ist unerläßlich, wenn nicht durch die umständliche Instruierung, deren einige bedürfen, und unter den Schwierigkeiten einer so umfassenden Verhandlung wichtige und dringende Angelegenheiten die ohne Anstand sogleich gelöst werden können, unabsehbaren Verzug leisten sollen. Wohl aber setzt die Verhandlung der Fragen ad 3 zum Theile schon die Lösung der ad 1 und 2 bezeichneten voraus. Die Stellung der Kirche muß dem Prinzipe nach im Klaren sein, ehe sich auf dem positiven Gebiete der praktischen Interessen die Beziehungen der weltlichen und der geistlichen Macht regeln lassen. Auch läßt sich auf diesem Gebiete über ein mehr oder weniger der Zugeständnisse verhandeln, wenn vorerst die Prinzipienfragen befriedigend beigelegt sind; bei diesen aber muß sowohl von den Bischöfen als von der Regierung auf dem beharrt werden, was sie für notwendig und den §§ 1 und 2 der Grundrechte entsprechend erkennen, und es ist da nicht gegenseitiges Nachgeben, sondern nur Verständigung möglich. Diese Verständigung kann erst den Weg bahnen zu einer Unterhandlung über die Zugeständnisse gegenseitigen Einflußes (ad 3 c, d, e, f). Antrag: in merito ad I: Aus diesem Grunde wären vor allem die ad 1 bezeichneten Wünsche der Bischöfe zu erledigen. Meine Anträge darüber enthält die Beilage .f.1). Wenn sie aber genehmigt werden, und der Kirche dadurch ihre Selbständigkeit und freie Bewegung wieder gegeben wird, so muß nothwendig zugleich darauf bestanden werden, daß Niemand zu einem geistlichen Amte gelange ohne Zustimmung der Regierung. Demnach wäre gleichzeitig zu verordnen: § „Geistliche Pfründen und Ämter können nur an Personen verliehen werden, die der Regierung genehm sind“ 2), und es wäre hiervon dem Papste Nachricht zu geben und dahin zu wirken, daß er diese Bestimmung gut heiße, und die Bischöfe und Wahlkapitel an weise, sich darnach zu benehmen. ad 2. Was die ad 2 bezeichneten Gegenstände anbelangt, so läßt sich in Thesi nicht in Abrede stellen, daß sie dem Bereiche der geistlichen Gewalt ange*) Der Inhalt dieser Beilage ist im Zusammenhang mit den einschlägigen Beratungen wiedergegeben. Vgl. S. 478 f. 2) Am Rande des Referates ist dazu angegeben: „Les évéques nommeront aux eures. — Leur choix ne pourra tomber que sur des personnes agréés par le gouvernement. (Concordat de 1801.)“