Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

484 Erika Weinzierl-Fischer eine Schwächung der Staatsgewalt, als Katholik die „zu erwartende anti­hierarchische Reaktion“, da „die gänzliche Freiheit der Kirche der Diszi­plin nicht günstig sein dürfte“. Thun versuchte Krauß mt dem Hinweis auf Ungarn und dessen seit Jahrhunderten freie Kirche zu beruhigen. Abgesehen davon sei es aber unausweichlich, wenigstens die Konsequenzen aus den Grundrechten vom 4. März 1849 zu ziehen. Als sich daraufhin neuerlich eine längere Debatte entspann, griff der Kaiser entscheidend ein. Es wurde „endlich, über An­regung von Seite Seiner Majestät, beschlossen, daß der' Kultusminister einen Entwurf derjenigen Zugeständnisse verfasse, welche geeignet wären, den billigen Erwartungen des Episkopats über den Verkehr mit Rom und ihren Gemeinden, über die geistliche Gerichtsbarkeit und über das Studien­wesen zu entsprechen, damit die von der Regierung selbst hervorgerufenen Verhandlungen nicht ohne Resultat abgebrochen werden“ 79). Damit war die Entscheidung gefallen. Der Kaiser scheint seinen festen Willen, die Eingaben der Bischöfe nun rasch und positiv zu erledi­gen, so unmißverständlich zum Ausdruck gebracht haben, daß den Mini­stern die Aussichtslosigkeit weiteren Widerstandes sofort klar geworden sein dürfte. Als Thun bereits eine Woche später den umfangreichen, bis in das kleinste Detail ausgearbeiteten „Entwurf der Erledigung an die Bischöfe“ dem Ministerrat vorlegte80), fand dieser nur mehr einzelne Worte oder Sätze änderungsbedürftig. Wohl sparten die Minister, vor allem Krauß und Schmerling, aber auch Bach nicht mit Hinweisen auf Stellen 81), die sie für die Staatsgewalt abträglich hielten, doch einigte man sich im allgemeinen auffallend schnell über den von Thun vorgetra­genen Entwurf, den der Ministerrat am 21. und 22. März beriet. Daß der Kaiser der Antrieb zu diesem rasanten Verhandlungstempo war, beweist ein Passus des Protokolls über die von den Ministem länger erörterte Frage der Anstellung von Privatdozenten für die christliche Religionslehre an philosophischen Fakultäten82). Der Schlußabsatz des Protokolls vom 22. März zeigt in lapidarer Kürze, daß mit den nunmehr auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers gefällten Entscheidungen eine wesentliche Epoche der österreichischen Kirchengeschichte ihr offizielles 79) M. R. Prot, vom 14. III. 1850. Hussarek, a. a. 0., S. 517, Anm. 139. Wolfsgruber, Schwarzenberg, S. 344, ediert den Brief eines Komiteemitgliedes, in dem als Tag dieser entscheidenden Sitzung der 18. März angegeben wird, doch sind nach den Ministerratsprotokollen an diesem Tag die Eingaben der Bischöfe überhaupt nicht zur Sprache gekommen. 80) Dieser Entwurf wurde nur unwesentlich verändert am 29. April 1850 ausgefertigt. Der endgültige Text der „Erledigung“ ist veröffentlicht in: „Aktenstücke, die bischöfliche Versammlung zu Wien betreffend“, Wien 1850. 81) Vgl. Anhang II. 82) „Über Anregung von Seite Seiner Majestät des Kaisers wurde sofort beschlossen“, die fragliche Stelle des Entwurfes zu ändern. M. R. Prot, vom 22. III. 1850.

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