Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 483 migung der bischöflichen Eingaben weiterhin im Amt bleiben zu können und bat den Monarchen, selbst in die Verhandlungen entscheidend einzu­greifen 75). Franz Joseph war zu diesem Zeitpunkt sicher auch schon von seinem verehrten Lehrer Rauscher und von seiner Mutter, der Erzherzogin Sophie, der Stand der Kirchenfrage berichtet worden. Die Ultimata Schwarzenbergs und Thuns verfehlten daher nicht ihre Wirkung. Sie über­zeugten den Kaiser von der Notwendigkeit, sich für eine Entscheidung im Sinne der Bischöfe einzusetzen. Am 14. März behandelte der Ministerrat die schon erwähnte Note Rauschers vom Vortag an den Ministerpräsidenten, in der dem Kabinett vorgeworfen wurde, daß seine bisherigen Beschlüsse „die gerechten Hoff­nungen und Wünsche der Kirche größtentheils unerfüllt lassen. Die Ver­tagung mancher Punkte bis zium Abschlüße eines Konkordates sei bedenk­lich, da es sich darum handle, die Kirche nach 70jährigem Drucke so bald wie möglich in den vollen Besitz jener Rechte zu setzen, deren unverküm- merten Genuß die Verfassung und die Grundrechte vom 4. März 1849 ihr zugesichert haben“ 76). Nach Bekanntgabe des Inhalts der Note sprach sich Thun für eine schleunige Erledigung der bischöflichen Anträge aus und betonte, daß es auf die katholische Kirche innerhalb und außerhalb Österreichs „einen schmerzlichen und nachtheiligen Eindruck“ machen werde, wenn man das Komitee „nach 8 monatlichen Verhandlungen mit allzu kärglichen Konzessionen oder lediglich mit der Vertröstung auf ein Konkordat nach Hause entlassen“ wolle77 78). Der Ministerpräsident und Baron Bruck stimmten Thun — offensichtlich unter dem Eindruck der Note Rauscher — „namentlich auch mit Hinblick auf die österreichische Politik und unser Verhältniß zu Italien und Deutschland“ zu. Bach hielt dagegen nach wie vor an der Idee eines Konkordates nach dem Vorbilde Bayerns fest. Durch ein derartiges Konkordat, das bei den derzeitigen guten Beziehungen Österreichs zum Heiligen Stuhl ohne Schwierigkeiten zu erreichen sein müsse 7S), könnten im Vertragswege alle kirchlichen Fragen bereinigt werden. Thun erwiderte darauf, daß man jene Konzessionen, die sich schon auf Grund der Verfassung für das Inland ergäben, nicht gut zum Gegenstand eines Vertrages mit Rom machen könne. Nun machte sich Finanzminister Krauß noch einmal zum Wortführer aller jener Minister, die den Wünschen der Bischöfe entschieden ablehnend gegenüberstanden. Er erklärte, daß ihm die vorgeschlagenen Zugeständ­nisse in zweifacher Hinsicht Sorgen bereiteten. Als Minister befürchte er 75) Wolfsgruber, Schwarzenberg, S. 344. 76) M. R. Prot, vom 14. III. 1850. 77) Ebendort. 78) Österreich war seit Februar 1849 am päpstlichen Hof in Gaeta durch den Grafen Esterházy vertreten und zu diesem Zeitpunkt eine Hoffnung Papst Pius IX. Vgl. Friedrich Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan, 1. Band, Graz-Wien-Köln 1958, S. 46, 66 ff. 31*

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