Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850
482 Erika Weinzierl-Fischer brauche. Schließlich hätten diese ja selbst um die Einführung der so umstrittenen Bestimmungen gebeten. Auf eine weitere Diskussion verzichtete er — wohl in der Erkenntnis, daß sie bei einem derart einhelligen Widerstand sein Ministerkollegen aussichtslos war. Dagegen versuchte er — vermutlich auf Grund einer Anregung Rauschers —, die maßgebenden Männer des bischöflichen Komitees mit den Ministern in direkten Kontakt zu bringen. Er arrangierte am 9. März eine Zusammenkunft mit Rauscher und Schwarzenberg, bei der mit dem Innen- und dem Justizminister der Stand der Kirchenfrage erörtert wurde71). Die Bischöfe gewannen dabei auf Grund der ihnen über die bisherigen Entscheidungen des Ministerrates gegebenen Informationen den Eindruck, daß trotz der Bemühungen Thuns von ihren Bitten ein Teil „in die ferne und ungewisse Zukunft verschoben werde und ein anderer Teil nur eine den Rechten der katholischen Kirche ungünstige Gestaltung erhalten könne, da die wesentlichsten Grundsätze, auf welche diese Eingaben der Bischöfe gebaut sind, bei der Mehrheit der Herren Minister keine Anerkennung finden“ 72). Kardinal Schwarzenberg sah sich daher gezwungen, in einer scharfen Note an Thun vom 11. März zu erklären, daß er in einer derartigen Situation nicht in der Lage sei, das Prager Erzbistum zu übernehmen73). Rauscher richtete am 13. März eine ausführliche, vom bischöflichen Komitee Unterzeichnete Note an den Ministerpräsidenten, in der der „lähmende Zwischenzustand“, zu dem der Staat allein die katholische Kirche verurteilt habe, einer herben Kritik unterzogen wurde74). Er führte darin aus, daß die kirchlichen Angelegenheiten sicherlich auch durch ein Konkordat geregelt werden könnten, aber dies würde unter den gegenwärtigen Umständen für die Katholiken doch einen Aufschub der Erfüllung ihrer Wünsche in unbestimmte Fernen bedeuten. „Die Bischöfe würden nicht vermeiden können, dieß ihrer Geistlichkeit mitzutheilen und in einer Zeit, zu welcher die Gemüther bis ins Innerste aufgeregt sind, lassen die Folgen sich nicht berechnen.“ Außerdem aber würde eine Anerkennung der Kirche durch die österreichische Regierung deren Ansehen bei den Katholiken Deutschlands und Italiens beträchtlich heben. Auf jeden Fall aber „wäre der Regierung S. M. für die bedenklichen Rückwirkungen, welche von dem Aufschübe zu besorgen stünden, in keiner Hinsicht ein Ersatz geboten“. Auf diesem Höhepunkt der Verhandlungskrise wandte sich der Kultusminister, der nunmehr die Forderungen der Bischöfe rückhaltlos unterstützte, direkt an den jungen Kaiser. Er erklärte, nur im Falle der Genelh71) Wolfsgruber, Schwarzenberg, S. 343. 72) Ebendort. 73) Ebendort. 74) Wolfsgruber, Rauscher, S. 111. — Der Text der Note bei Hussarek, a. a. 0., Beilage VI, S. 721 ff.