Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
BLAAS, Richard: Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana
Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana 41 der Kurie einlaufenden Rechtsstreitigkeiten wurden vom Papste Kaplänen zur Ausarbeitung der richterlichen Entscheidung übergeben; bereits um die Mitte des 13. Jh. hat sich die Audientia sacri palatii als eigener Gerichtshof herausgebildet, der neben dem Konsistorium als gesonderte Behörde bestand. Gegen Ende des 13. Jh. wurde bei diesem Gerichtshof die Kollegialität eingeführt und im ersten Viertel des 14. Jh. findet sich bereits eine Einteilung in Kammern. Die Verfassung dieser obersten päpstlichen Justizbehörde hat sich aus der Gerichtspraxis ergeben; durch verschiedene päpstliche Verordnungen wurden Gewohnheiten und Gepflogenheiten sanktioniert und modifiziert, bis dann Papst Johann XXII. dem Gerichtshof durch die Bulle Ratio Juris vom 16. November 1331 9) eine erste grundlegende Verfassung gab. Die Audientia sacri palatii wurde bereits in der ersten Hälfte des 14. Jh. Rota genannt, eine Bezeichnung, die dann immer mehr die ursprüngliche Benennung verdrängte, sich durchsetzte und zum Eigennamen dieses päpstlichen Gerichtshofes wurde. Die kreisrunde Richterbank — rota ist gleichbedeutend mit Kreis, Rad — auf der die capellani papae et apostolicae sedis auditores causarum sacri palatii, wie der volle Titel lautet, Platz nahmen, stand der Namensgebung Pate10). Eine solche runde Richterbank, eine Rota, läßt sich bereits für den Papstpalast in Avignon nach weisen11) und muß dann auch in Rom vorhanden gewesen sein, wie die ältesten noch erhaltenen Rotasiegel zeigen12). Diese Sitzordnung um den runden Tisch entsprach auch der an diesem Gerichtshof üblichen kollegialen Rechtsprechung am besten und war für die gemeinsamen Sitzungen und die gebräuchliche Turnuseinteilung am zweckmäßigsten. So ging von einer örtlichen und dinglichen Benennung der Name über auf die Institution und setzte sich als deren Bezeichnung völlig durch, so daß ab dena 15. Jh. die audientia sacri palatii apostoliéi fast nur mehr mit Sacra Romana Rota bezeichnet wurde. 9) Cerchiari, a. a. O., vol. III. Documenta, nr. 50. Ordinationes et Statuta Johannis XXII (1316—1334) quibus audientia causarum in Apostolico Palatio moderatur, praesertim quoad Auditores et Notarios in eisdem causis scribentes. — Diese Constitutio apostolica wurde, wie der Liber Rotae bezeugt, alljährlich zu Beginn des neuen Amtsjahres vor dem versammelten Auditorenkollegium vorgelesen. 10) Vgl. Egon Schneider, Über den Ursprung und die Bedeutung des Namens Rota als Bezeichnung für den obersten päpstlichen Gerichtshof in Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte, 41. Bd. (1933), S. 29 ff. — Die von Schneider in dem angeführten Artikel beigebrachten Deutungsversuche sind am überzeugendsten von allen derartigen Versuchen. Weitere Deutungen s. h. bei Cerchiari, a. a. 0., vol. I. S. 55; H. Bangen, Die römische Kurie, ihre gegenwärtige Zusammensetzung und ihr Geschäftsgang (Münster 1854), S. 297. 11) E. Schneider, a. a. O. 12) In dem eben angeführten Artikel von E. Schneider sind auf Tafel I zwei alte Rotasiegel abgebildet, die beide die runde Richterbank als Charakteristikum des Gerichtshofes aufweisen.