Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 481 In der Sitzung des Ministerrates am 1. März war bei der Beratung der weiteren Anträge Thuns zur geistlichen Gerichtsbarkeit 88) Bach der Hauptsprecher der Opposition. Mit der Zustimmung Thinnfelds und Krauß’ verwahrte er sich dagegen, die Bischöfe durch diese neuen Verordnungen zu eigenmächtigem Vorgehen zu ermuntern. „Der Rekurs an die Staats­regierung und das Inspektionsrecht des Staates müßten Vorbehalten wer­den“. Auch bei der folgenden Behandlung der Frage der Verbindung der geistlichen Orden mit ihren auswärtigen Generalen ") war Bach der Wort­führer aller jener, die „gegen die vorgeschlagene Wiederanknüpfung des seit einem Jahrhundert gelösten Verbandes der österreichischen Klöster mit den Ordensgeneralen in Rom“ waren. Die Argumente Bachs, denen außer Schwarzenberg und Thun der gesamte Ministerrat zustimmte, sind rein josephinistisch und durch die Erfahrungen der Revolution noch be­sonders aktuell gefärbt6 * * * * 70). Schwarzenberg nahm sie schweigend zur Kenntnis, während Thun nur erwiderte, daß man sich nicht auch noch über eine mögliche Benachteiligung der Bischöfe den Kopf zu zerbrechen 6S) „§ 6. Wird ein Geistlicher von den weltlichen Gerichten wegen Ver­brechen oder Vergehen verurtheilt, so ist hievon dem Bischöfe des Verurtheilten die Anzeige zu machen, und sind dem Bischöfe, auf sein Verlangen, die Ver­handlungen insoweit mitzutheilen, daß derselbe sich von dem Thatbestande und den gegen den Verurtheilten vorliegenden Beweisen überzeugen, und eine ange­messene Kirchenstrafe aussprechen könne. Auch ist auf Begehren des Bischofs die Einleitung zu treffen, daß der Verurtheilte von ihm oder dem von ihm dazu Beauftragten vernommen werden könne. — Zugleich wären die Bischöfe auf­zufordern, die nöthigen Einleitungen wegen Reglung des geistlichen Instanzen­zuges und des Verfahrens vor den geistlichen Gerichten zu treffen, und deren Ergebniß seiner Zeit mitzutheilen und es wäre beim Papste dahin zu wirken, daß die geistliche Gerichtsbarkeit in oberster Instanz in Österreich nur von Personen ausgeübt werde, die im Lande ihren Wohnsitz haben und den inländischen Gerichtsbehörden unterstehen.“ M. R. Prot, vom 1. III. 1850. 89) „Den geistlichen Ordensgemeinden wird es freigestellt, mit ihren Ordensgeneralen zu verkehren und die Generalkapitel zu beschicken, unter der Bedingung: daß die Ordensgenerale und überhaupt alle Ordensvorsteher, welche außerhalb Österreichs sich aufhalten, die ihnen zustehenden Rechte nur durch Stellvertreter üben, welche inländische Ordensglieder sind und ihren Wohnsitz im Inlande haben.“ Zugleich wäre die ausdrückliche Genehmigung dieser Be­stimmung hinsichtlich der ausländischen Ordensgenerale beim Papste nachzu­suchen.“ Ebendort. 70) „Die Erfahrung beweise, daß der Einfluß der Ordensgenerale auf die Klöster und die damit verbundene Immunität der Klostergeistlichkeit von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe für die Kirchenzucht nachtheilig sei. Was läßt sich auch von den Anordnungen eines so weit entfernten, mit den Personal-Lokal- politischen und nationalen Verhältnißen so wie mit den Bedürfnissen der Be­völkerung fast ganz unbekannten Ordensgeneralen oder seines Visitators erwar­ten! Andererseits würde doch in die Hände der Generale durch das Gelübde des Gehorsams disziplinirte Macht gelegt, die zu politischen oder anderen miß­liebigen Zwecken gegen die Regierung gebraucht werden kann. Die Opposition der jetzigen jüngeren Geistlichkeit gegen das Episkopat würde in den Klöstern ihr sicheres Asyl finden.“ Ebendort. Mitteilungen, Band 11 31

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