Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

478 Erika Weinzierl-Fischer Stimmung über den Verkehr mit Rom 5e) fand nicht den Beifall des Mini­sterrates. Dieser beschloß zunächst, den „etwas vagen Begriff ,geistliche Angelegenheiten' durch den Beisatz ,rein‘ näher zu bestimmen, damit nicht Angelegenheiten gemischter Natiur vor das Forum des Papstes gebracht würden“ 57). Dann entspann sich eine längere Diskussion über die Frage, ob das Recht des freien Verkehrs mit Rom nach dem Anträge Thuns den Bischöfen und den diesen unterstehenden Gläubigen oder nur den Bischöfen allein zu gewähren sei. Für das Exklusivrecht der Bischöfe spra­chen sich Finanzminister Krauß, der protestantische Handelsminister Bruck und der Kriegsminister Gyulay aus, die im Interesse eines geregel­ten Verkehrs mit Rom die Vorbringung der Wünsche des niederen Klerus und der Laien den Bischöfen überlassen wollten. Die Mehrheit war aber dafür, den „direkten Rekurs an das Oberhaupt der Kirche in „rein geist­lichen Sachen“ allen Gläubigen ohne Unterschied zu gewähren. Da nicht einmal die Bischöfe eine solche Beschränkung zu ihren Gunsten gefordert hätten, habe die Regierung keine Veranlassung, rigoroser als der Episkopat zu sein. Hinsichtlich des Verkehrs der Bischöfe mit ihren Gemeinden änderte Thun den in seinem Referat gestellten Antrag B8) dahingehend ab, daß er dessen zweite Hälfte zur Gänze weglassen wollte. Man könne diese Be­stimmung jetzt gar nicht erlassen, da durch sie die katholischen Bischöfe faktisch mehr beschränkt würden als es die evangelischen Superintendenten in Ungarn derzeit seien. Diese Beschränkung könne man nur nachträglich für alle Kirchenoberen ohne Unterschied des Kultus anordnen. Bachs Vorschlag, dem Wort „Amtsgewalt“ die Einschränkung „und innerhalb der Grenzen derselben“ beizufügen, fand allgemeinen Beifall. Dann sprach sich Baron Krauß entschieden gegen die Weglassung des zur Debatte stehenden Nachsatzes aus, da man der Regierung die Möglichkeit sichern müsse, gegen Mißbräuche einzuschreiten. Daraufhin fand Bach, daß selbst dieser Nachsatz keinen genügenden Schutz vor nachteiligen B8) „Sowohl den katholischen Bischöfen, als den ihnen unterstehenden Gläubigen steht es frei, sich in geistlichen Angelegenheiten an den Papst zu wenden, und die Entscheidungen und Anordnungen des Papstes zu empfangen, ohne dabei an eine vorläufige Zustimmung der weltlichen Behörde gebunden zu sein“. M. R. Prot, vom 20. I. 1850 und lithographierte Beilage „Gegenstände hinsichtlich welcher die der Kirche durch die bisherigen Gesetze verwehrte freie Bewegung in Anspruch genommen wird“. B7) M. R. Prot, vom 20. I. 1850. B8) „Den katholischen Bischöfen steht es frei, über Gegenstände ihrer Amtsgewalt an ihren Klerus und ihre Gemeinden ohne vorläufige Genehmigung der Staatsbehörde Ermahnungen und Anordnungen zu erlassen; sie haben jedoch von ihren Erläßen, insoferne sie äußere Wirkungen nach sich ziehen, oder öffentlich kund gemacht werden sollen, gleichzeitig den Regierungs­behörden, in deren Bereich die Kundmachungen erfolgen, oder die Anwendung geschehen soll, Abschriften mitzutheilen“. M. R. Prot, vom 20. I. 1850 und lith. Beilage.

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