Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

476 Erika Weinzierl-Fisoher Für diese Aufgabe schien Thun nun der kirchenrechtliche Rat Hal- ferts 46) nicht mehr zu genügen. Er berief daher auf Grund einer Emp­fehlung des Justizministers Schmerling den Kanonisten Dr. Ignaz Beidtel, der als Appellationsgerichtsrat in Brünn eben pensioniert worden war, nach Wien47). Beidtel hatte trotz seiner allseits anerkannten wissenschaftlichen Fähigkeiten in 40 Jahren Staatsdienst kein entsprechendes Avancement erreichen können. Er versprach sich deshalb von der Möglichkeit, dem Kultusminister mit seinem „Beirathe“ zu dienen, endlich eine seinen Kenntnissen und Interessen entsprechende Position. Er hatte nach Auf­hebung der Zensur 1849 eine anregende und temperamentvolle Abrechnung mit dem Josephinismus veröffentlicht48), in der er allerdings zu dem Schluß gekommen war, daß die beklagenswerte Lage der Kirche in Öster­reich nicht nur durch die Gesetze des Staates, sondern auch durch die Schwäche und den Mangel an guten Willen der Bischöfe verschuldet wor­den sei49). Dieser Mann stellte sich nun am 17. Februar dem Grafen Thun vor, der von ihm ein Gutachten über die Eingaben der Bischöfe und besonders über das Placet verlangte50). Beidtel fand, daß die Wünsche der Bischöfe gut und treffend formuliert waren und zum größten Teil „unbeschadet den staatlichen Rücksichten“ gewährt werden könnten. Er berichtet, daß der Minister wegen der Aufhebung des Placet Bedenken äußerte, die er erst mit dem Hinweis, daß selbst Napoleon im italienischen Konkordat von 1803 darauf verzichtet habe, zerstreuen konnte. Es scheint also auf Thun, der im Ministerrat ja mehrmals für die Aufhebung des Placet eingetreten war51), der Widerstand seiner Ministerkollegen doch Eindruck gemacht zu haben. Stand Beidtel in der Placet-Frage auch ganz auf Seite der Bischöfe, so war das aber bei weitem nicht bei allen Wünschen des Episkopats der Fall. Er lehnte einen größeren Einfluß der Bischöfe auf die Orden, die Wieder­herstellung der geistlichen Gerichtsbarkeit, die Einholung von bischöf­lichen Gutachten bei Bischofsemennungen, vor allem aber den Abschluß eines Konkordats entschieden alb. Er sah dazu „nicht die geringste Ver­anlassung, weil die Beziehungen Österreichs zum römischen Stuhle ganz andere waren, als z. B. jene Frankreichs nach dem Abschlüsse der revolu­tionären Bewegungen und eine der wichtigsten Fragen anderer Concor­date, die Ernennung der Bischöfe, in den österreichischen Ländern durch 4e) Siehe oben S. 468 f. 47) Ignaz Beidtel—Alfons Huber, Geschichte der österreichischen Staats­verwaltung 1740—1848, 1. Band, Innsbruck 1896, S. XLII. 48) Untersuchungen über die kirchlichen Zustände in den kaiserlich öster­reichischen Staaten, die Art ihrer Entstehung und die in Ansehung dieser Zu­stände wünschenswerten Reformen. Wien 1849. 49) Beidtel-Huber, a. a. 0., S. LI. 50) Ebendort S. XLV ff. 61) Siehe oben S. 472 f.

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