Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

BLAAS, Richard: Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana

40 Richard Blaas 15. Jh. Die Entwicklung des kaiserlichen Auditoriates zeigt ganz eindeutig, daß sich das Recht zur Ernennung eines Rotarichters durch den Kaiser allmählich und in Analogie zu den nationalen Auditoriaten von Spanien und Frankreich herausbildete und es ist, da auf keinem direkten Privileg der Kurie fußend, ein ausgesprochenes Gewohnheitsrecht, das sich mit Billigung und späterer Zustimmung der Kurie weiterentwickelte. Zu Ende des 15. Jh. bis weit hinein ins 16. Jh. ist von einer direkten Mitwirkung des Kaisers bei der Ernennung deutscher Auditoren noch nichts zu spüren. Ende des 16. Jh. setzt sich dann das kaiserliche Ernennungsrecht unange­fochten durch und wird zu einem dem Kaiser ganz selbstverständlich zu­stehenden Vorrecht weiterentwickelt. Im 16. und 17. Jh. überwiegt bei den deutschen Auditoren das nieder- und oberdeutsche Element völlig, erst zu Beginn des 18. Jh. dringen das österreichische Element oder die Erblands­untertanen in die Auditorstelle vor und sie wird dann beinahe zu einem Reservat des österreichischen Hofadels, für den das Auditoriat bei der Rota regelmäßig zum Sprungbrett für eine glänzende kirchliche Karriere wird. Das Ende des römisch-deutschen Reiches entf esselt eine heftige Auseinander­setzung zwischen Papst und Kaiser um dieses Vorrecht, das sich der Kaiser von Österreich aus der Konkursmasse des Reiches sichern kann. Die Ein­schränkung der Kompetenz der Rota auf den Kirchenstaat zu Beginn des 19. Jh. bewirkt, daß zeitweise dieses Amt nur von Italienern besetzt wird, bis dann knapp vor dem Ende des Kirchenstaates Österreich sogar zwei kaiserliche Auditoren an die Rota entsendet. Nach dem Untergang des Kirchenstaates und dem faktischen Erlöschen der Tätigkeit der Rota, nach dem Verlust des lombardo-venezianischen Königreiches übt Österreich sein zweites Ernennungsrecht, ohne darauf förmlich zu verzichten, nicht mehr aus, entsendet aber weiterhin über Wunsch der Kurie einen kaiserlichen Auditor an die Rota, bis dann durch die unter Pius X. verfügte Neukon­stituierung der päpstlichen Gerichtshöfe dieses Vorrecht eine neue Bedeu­tung und Wertung erlangt. Innerhalb dieses abgesteckten Rahmens ist die Geschichte dieser Institution gespannt, deren Entwicklungsgang im Folgen­den dargestellt werden soll. Einleitung. Die Sacra Romana Rota7), in ihrer Blütezeit im 15. und 16. Jh. der würdigste und wichtigste Gerichtshof der Welt, die Hochschule mittel­alterlicher Jurisprudenz und Pflanzschule der tüchtigsten Kanonisten8), ist aus der Audientia Sacri Palatii Apostoliéi hervorgehend, allmählich zu dem selbstständigen obersten kirchlichen Gerichtshof geworden. Die an 7) Zur Geschichte der Rota, vgl. vor allem das schon in Anm. 1 genannte Werk von F. E. Schneider, Die Verfassung der Rota und das vierbändige Werk von Emmanuele Cerchiari, Capellani Papae et Apostolicae Sedis Auditores cau- sarum sacri palatii apostoliéi seu Sacra Romana Rota ab origine ad diem usque 20 septembris 1870; Relatio historica-juridica, Romae 1919—1921. 8) Schneider, a. a. 0., S. 73, Anm. 1.

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