Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850
470 Erika Weinzierl-Fischer Annahme seiner Ernennung zum Erzbischof von Prag an die Bedingung der vollen Berücksichtigung der bischöflichen Wünsche knüpfte20). Eine mehr als dreistündige Unterredung Rauschers mit Thun Anfang Dezember 21) dürfte aber schon die entscheidende Wendung in der Haltung des Ministers bewirkt haben. Dieser versprach Rauscher einen baldigen Bescheid und trug bereits am 15. Jänner 1850 die ganze Angelegenheit dem Miniisterrat vor. Er vertrat dabei die Meinung, „daß die Bitten der Bischofsversammlung22), obgleich dieselbe kein Mandat des gesamten österreichischen Episkopats erhalten habe, doch van der Regierung in reifliche Erwägung gezogen und nach Zulässigkeit gewährt werden dürften“. Manche dieser Bitten müßten schon nach den Bestimmungen der Verfassung und der Grundrechte gestattet werden. Andere, gerechterweise zu berücksichtigende könnten durch Abänderung der bestehenden Vorschriften erfüllt werden. In jenen Fragen, in denen sich derzeit keine Einigung abzeichne, würden Verhandlungen für beide Teile tragbare Ver20) Wolfsgruber, Schwarzenberg S. 327. 21) Ebendort. 22) „Die Wesentlichsten darunter sind folgende: I. Gemäß § 2 der Grundrechte soll weder den Bischöfen noch den Gläubigen fernerhin eine Schwierigkeit gemacht werden, sich in geistlichen Dingen an den Papst zu wenden. Den Bischöfen soll es gestattet seyn, über Gegenstände ihrer Amtsgewalt ohne vorläufige Genehmigung der Staatsgewalt Ermahnungen und Anordnungen zu erlassen. Die Diözesansynoden sollen so bald als möglich wieder ins Leben treten. II. Der Souverän hätte sein persönliches Recht, Bißthümer zu verleihen, nicht ohne den Beirath der Bischöfe zu üben. Die Verleihung von Domherrenstellen hätte künftig ohne Rücksicht auf Geburt an den Würdigsten zu geschehen. Das Institut der Domizellarn hätte aufzuhören. Die Bischöfe der Kirchenprovinzen Olmütz und Salzburg hätten ein Stimmrecht bei Erwählung ihrer Metropoliten zu erhalten. Die Ernennung der Ehrendomherrn steht dem Bischöfe zu. Der Staatsgewalt steht nicht das Recht zu, jemanden in geistlichen Ämtern und Pfründen zu bestätigen. Wenn die Staatsgewalt kirchliche Auszeichnungen verleiht, tritt sie auf ein fremdes Gebieth. Die Congrua des Pfarrers darf nicht durch Vorspannsleistung oder Einquartierung geschmälert werden. Hörer der Theologie, deren Verwendung und Sittlichkeit dem gewählten Berufe entspricht, wären gesetzlich von der Militärpflicht, Untersuchung und Stellung zu befreien. III. Den Patronen wären keine größeren Lasten aufzuerlegen als dieselben kraft der Kirchengesetze oder privatrechtlicher Verpflichtungen zu tragen haben. Bei der Umgestaltung der Patronatsverhältnisse wäre dem Bischöfe die Freiheit zu sichern, bei Verleihung der Pfarren Verdienst und Fähigkeit zum einzigen Maßstab zu nehmen. Das Patronatsrecht, welches auf den Religionsfondsgütern haftet, ist nicht auf den Staat übergegangen. IV. Die geistliche Gewalt hat das unbestreitbare Recht, die Befähigung für die Seelsorge zu beurtheilen. V. Die Bischöfe werden nach § 2 der Grundrechte fernerhin den Gottesdienst und alles darauf bezügliche selbständig anordnen. Die Feier der bisher üblichen Prozessionen hätte in altgewöhnlicher Weise vor sich zu gehen. Die Regierung hätte der Sonntagsfeier ihren Schutz angedeihen zu lassen. Den Nichtkatholiken wäre in Tirol wenigstens die öffentliche Religionsübung nicht zu gestatten“. Ministerrats-Protokoll vom 15. Jänner 1850, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (M. R. Prot.).