Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850
Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 469 halten war, wollte aber an dessen Stelle ein staatliches Vetorecht setzen, das ebenfalls die Prüfung päpstlicher Bullen und bischöflicher Hirtenbriefe dlurch staatliche Stellen ermöglichen sollte. Denn wenn dem Staat Einblick in das Wirken der Kirche zusteht, „kann er in jedem Augenblick sich die Überzeugung verschaffen, daß die kirchlichen Organe nie und nirgend dem zuwiderhandeln, was des Kaisers ist“ 14). Diese Erwägungen legte Helfert in ausführlichen Denkschriften Anfang November 1849 seinem Minister vor. Graf Leo Thun15), der sich vor der Revolution in der böhmischen und galizisehen Verwaltung Verdienste erworben hatte, leitete das auf seinen ausdrücklichen Wunsch sowohl für die Unterrichts- wie für die Kultusagenden zuständige Ministerium erst seit August 1849. Es ist daher verständlich, daß er zunächst den Intentionen Helferts folgte16), der durch neun Monate als Unterstaatssekretär praktisch die Geschäfte des Unterrichtsministeriums, in dem ein Minister den anderen ablöste, geführt hatte. Da nun die Aufhebung der Placet eine entscheidende Forderung der Bischöfe war, die Argumente Helferts aber auch den streng konservativen und tief gläubigen Minister beeindruckten, zeigte Thun vorläufig nicht die Absicht, die Wünsche der Bischöfe in absehbarer Zeit zu erfüllen. Das von der Bisehofskonferenz nominierte Komitee wartete daher vergeblich auf einen günstigen Bescheid. Selbst eine Reise Schwarzenbergs und Rauschers nach Wien zeitigte kein sichtbares Ergebnis17). Doch erfuhr das Komitee nun wenigstens, gegen welche Forderungen Thun besondere Bedenken hegte. Nach dem Bericht eines Komiteemitgliedes sollen sie sich vor allem gegen das Ernennungsrecht der Bischöfe, die Ernennung und Abhängigkeit der Theologie-Professoren an den Universitäten von den Ordinariaten, die Anstellung der Gymnasialkatecheten und die Einführung der geistlichen Gerichtsbarkeit gerichtet haben18). Das Komitee schrieb die „nicht geradezu ungünstige“, aber auch nicht sehr entgegenkommende Haltung Thuns dem Einfluß der Ratgeber des Ministers zu. Auch schien es dem Komitee, daß der Wiener Erzbischof Milde, „noch von alten Vorurteilen befangen“, die bisherige Erfolglosigkeit der Sprecher der Bischofsversammlung „etwas schadenfroh“ zur Kenntnis nehme19). Die Stimmung der Komiteemitglieder war daher dementsprechend gedrückt. Die positive Erledigung der Eingaben der Bischöfe schien in so weiter Feme zu liegen, daß Kardinal Schwarzenberg noch Mitte Dezember die 14) Friedjung, a. a. 0., S. 490. 15) Vgl. über Thun besonders S. Frankfurter in ADB 38, 1894, S. 178 bis 212 und Eduard Winter, Sudetendeutsche Lebensbilder 3, Reichenberg 1934, S. 301—304. iß) Friedjung, a. a. 0., S. 491. 17) Wolfsgruber, Schwarzenberg, S. 326 f. 18) Hussarek, a. a. 0., S. 514, Anm. 131. 19) Ebendort, S. 516, Anm. 134.