Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

468 Erika Weinzierl-Fischer der durch das josephinische System verursachten Mißstände in der Kirche und eine leidenschaftliche Forderung nach deren Befreiung aus der Zwangs­herrschaft des Staates. Sie sind der Ausdruck aller Wünsche und Pläne, die die Bischöfe in 60 Sitzungen beraten und auch in einer 207 Paragra­phen enthaltenden „gemeinsamen Richtschnur ihres Strebens und Wir­kens“ formuliert hatten6). Damit war die Generallinie festgelegt, auf Grund deren das von der Konferenz dazu erwählte Komitee die weiteren Verhandlungen mit den staatlichen Stellen führen sollte. Dieses Komitee bestand aus fünf Mitgliedern, sein Vorsitzender war Kardinal Schwarzen­berg, der Bruder des Ministerpräsidenten, der entscheidende Referent Bischof Rauscher7). In ihren die Konferenz beschließenden Hirtenschreiben an die Geist­lichkeit und die Gläubigen aller Diözesen hatten die Bischöfe die Hoffnung ausgesprochen, daß ihren Bemühungen zur Befreiung der Kirche bald ein Erfolg beschieden sein werde8). Doch in dem der Konferenz folgenden Sommer 1849 sollte es nicht so aussehen, als ob die Eingaben der Bischöfe in absehbarer Zeit erledigt werden würden. Wohl hatte Alexander Bach in Vertretung des erkrankten Innenministers Stadion dem bischöflichen Komitee schon am 24. Juni mitgeteilt, daß er sich bemühen werde, „das wichtige Werk mit thunlichster Beschleunigung zu Ende zu führen“ 9), aber diesem verheißungsvollen Bescheid folgte ein halbes Jahr völligen ministeriellen Stillschweigens. Während dieser Zeit unterlagen die bischöflichen Memoranden im neuen Ministerium für Kultus und Unterricht Leo Thuns der Begutachtung des Unterstaatssekretärs Josef Alexander Helfert10). Dieser überzeugte Katholik, ja sogar Antijosephiner, billigte im Hinblick auf Schule und Ehe11) ganz die Forderungen der Bischöfe. Auch die Verbindung der Ordensgeistlichen mit ihren Generalen in Rom sollte freigegeben werden, allerdings unter der Bedingung der Ernennung von Generalvikaren mit dauerndem Sitz in der Monarchie12). In seiner Stellungnahme zur Frage der von den Bischöfen beantragten Aufhebung des Placetum regium13) aber konnte selbst er sich nicht von den Traditionen der Vergangenheit frei machen. Er war sich zwar darüber klar, daß das Placet nicht mehr zu 6) Ders., Schwarzenberg 1, S. 313, 316. 7) Collectio Lacensis V, c. 1376. 8) Ebendort c. 1377—1394. 9) Wolfsgruber, Rauscher S. 110. 10) Über Helfert vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthumes Österreich 8, 1862, S. 254 ff. und Heinrich Friedjung, Österreich von 1848 bis 1860, II/l, 2. Aufl., Stuttgart-Berlin 1912, S. 488. 11) Ausbildung der Theologen nach kirchlichen Anweisungen, Aufrecht­erhaltung des kirchlichen Einflußes auf das Volksschulwesen, Übereinstimmung der bürgerlichen mit der kanonischen Ehegesetzgebung. 12) Friedjung, a. a. O., S. 489. 13) Recht des Landesherrn, bischöfliche oder päpstliche Erlässe vor ihrer Veröffentlichung einzusehen und diese zu genehmigen oder zu verbieten.

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