Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Neue Beiträge zur Geschichte der österreichischen Zensur im Vormärz
Die amtlichen Verbotslisten 465 wert. Festzustellen ist die Zunahme der Verbote italienischer Werke und die Ablehnung- italienischer Manuskripte. Zusammenfassend kann man sagen, daß diese sechs Listen bloß durch die große Zahl der Beschlagnahmen und Schedenverweigerungen auffallen, ansonsten aber nirgends über den Rahmen des uns schon Bekannten hinausgehen. * * * Wenn man immer wieder hört, daß die Zensur in steigendem Maße verschärft wurde, so vermitteln uns die Verbotsverzeichnisse für die Zeit Ferdinands (1835—1848) ein anderes Bild. Sie zeigen, daß zu bewegten Zeiten die Verbote zahlreich sind, natürlich, denn in solchen Tagen schwoll die Zahl der Werke an, die den Auffassungen der Staatsverwaltung zuwiderliefen. So ist der Zeitraum 1836—1840 durch viele Verbote gekennzeichnet, die 1838 mit 570 den Gipfel erreichten, 1840 schon um fast 200 weniger waren, in der letzten Zeit von 1845—1848 hatte 1847 mit 579 Verboten den Höchststand zu verzeichnen. Zwischendurch, in der wirtschaftlich verhältnismäßig günstigeren Zeit von 1841 bis 1844 182), liegen die Zahlen zwischen 249 (1841) und 279 (1843). Überblicken wir den Gesamtstoff, der in den beiden Abhandlungen über „Die amtlichen Verbotslisten“ dargeboten wird, so dürften mit ihnen vielfach Fragen geklärt, mancherlei Irrmeinungen berichtigt, insgesamt aber unser Wissen um das Wirken der so verrufenen Zensureinrichtungen erweitert worden sein. Je mehr man sich in die amtliche Tätigkeit der Zensurbehörden vertieft, desto klarer wird es einem, daß reine Willkürakte, wie sie in der Literatur so häufig beklagt werden183), nicht Vorkommen, schon darum nicht ausgeübt werden konnten, weil der Zensurchef Graf Sedlnitzky, buchstäblich alles selbst überprüfte und von überängstlicher Genauigkeit war. Der Geist, der die Zensurinstruktion von 1810 geschaffen hatte, war freilich längst entwichen, man hielt sich an den Buchstaben der Vorschrift. Man arbeitete auch sicherlich nicht langsamer als andere Behörden, nur daß man es hier mit Leuten zu tun hatte, die sich bei der Mit- und noch mehr bei der Nachwelt Gehör zu 182) J. Marx, Eine vormärzliche Wirtschaftskrise im Lichte der amtlichen Berichte; in Historische Blätter, V, Wien 1932, S. 51 ff. — Ders., Die Wirtschaftslage Österreichs vor der Schutzvereinskrise; im Monatsblatt des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 1938, Nr. 4/6, S. 154 ff. und ebd., 1933, Nr. 10/12, S. 251 ff., Die Lebenshaltung im deutschen Österreich von 1840—1845 nach den amtlichen Berichten. 183) Man vgl. etwa die Zusammenstellung von Dr. A. K 1 e i n b e r g, Die Zensur im Vormärz; in Quellenbücher zur österr. Geschichte, Nr. 9, Wien— Prag 1917, sowie die einschlägigen Werke von H. H. H o u b e n. Mitteilungen, Band 11 30