Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
BLAAS, Richard: Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana
38 Richard Blaas und für die Zukunft nicht mehr anzuerkennen1). Der kaiserlichen Regierung war aber gerade im Hinblick auf die Reorganisation der Rota und die Reaktivierung ihres ursprünglichen Kompetenzbereiches an der Wahrung des Benennungsrechtes besonders gelegen. Das hohe Alter des nominell noch im Amte stehenden kaiserlichen Auditors legte außerdem die Vorsorge für eine reibungslose und rasche Amtsnachfolge nahe. Es wurde daher bereits 1906, also noch zwei Jahre vor der Veröffentlichung der Bulle „Sapienti Consilio“ 2), die die Neuordnung des päpstlichen Gerichtswesens brachte, das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht beauftragt, ein Exposé über die Stellung des deutschen Auditors bei der S. Rota Romana, beziehungsweise in der Frage der eventuellen Nachfolge des Monsignore Montéi3) auszuarbeiten. Dieses ministerielle Exposé holte aus den Archivunterlagen vor allem die historische Fundierung des Rechtsanspruches auf die Ernennung eines kaiserlichen Auditors heraus und legte beim Nachweis des wohlerworbenen Rechtes auf die Ernennung eines nationalen Auditors den Hauptakzent auf die Entsendung eines „deutschen“ Auditors. Die Beweisführung des Kultusministeriums gewährt einen interessanten Einblick in die Problematik des österreichischen Dualismus. Das k. u. k. Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußeren glaubte nämlich, entsprechend der Gepflogenheit bei Besetzung von Stellen der gemeinsamen Ministerien, das kaiserliche Auditoriat nach dem Ausscheiden des Msgr. Montéi mit dessen Sekretär, einem Ungarn, besetzen zu können. Dabei ging das Ministerium des Äußeren von dem Standpunkt aus, daß das dem Kaiser verliehene beziehungsweise von ihm ausgeübte Privileg der Ernennung eines nationalen Auditors bei der Rota sich auf den ganzen Staat, also auf Österreich-Ungarn erstrecke. Es replizierte daher auf das Exposé des Kultusministeriums mit einem Memorandum zur Frage des Nominationsrechtes von Auditoren bei der Sancta Rota Romana4). In 1) F. Egon Schneider, Die Römische Rota nach geltendem Recht auf geschichtlicher Grundlage, Bd. 1, Die Verfassung der Rota, Paderborn 1914, S. 101: „denn sowohl in der Lex propria wie in den normae communes, in denen über die Ernennung der päpstlichen Beamten sehr eingehende Bestimmungen getroffen werden, wird dieser Rechte und Privilegien keinerlei Erwähnung getan. In den letzteren heißt es sogar ausdrücklich: Majores administri cuiusque sacrae congregationis, tribunalis, officii, a Summo Pontifice 1 i b e r e eligentur.“ 2) Die Bulle wurde, wie es nur bei den feierlichsten Akten des Hl. Stuhles geschieht, per viam de curia expediert und einige Tage nachher am 6. Juli 1908 mit Rechtskraft vom 3. November desselben Jahres in der damals noch üblichen Form „ad valvas“ promulgiert. Schneider, Rota S. 93. 3) Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Botschaftsarchiv Rom-Vatikan IV. P/l, Beilage zu Weisung vom 30. XII. 1908, ZI. 1326/K.U.M./1906. — Da sämtliche archivalischen Quellenbelege für die vorliegende Arbeit dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv entnommen sind, wird in Hinkunft das Archiv nicht mehr eigens erwähnt, sondern nur der Bestand angeführt, in dem die Archivstücke verwahrt sind. 4) 1. c. Wien, 31. Juli 1908.