Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

BLAAS, Richard: Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana

Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Rota Romana. Von Richard Blaas (Wien). Der Kaiser von Österreich hatte altem Herkommen gemäß das Privileg, einen der zwölf Richter des päpstlichen Gerichtshofes der Rota Romana zu ernennen. Das Recht, einen nationalen Auditor an die Rota zu ent­senden, hatte sich seit dem Ende des 15. Jh. herausgebildet und stand neben dem römisch-deutschen Reich auch den katholischen Höfen von Spanien und Frankreich zu. Nach der Selbstauflösung des Reiches ging dieses Vor­recht, wie so manche anderen Prärogativen des alten Reiches, auf den Kai­ser von Österreich als den letzten Träger der Reichskrone über. Kaiser Franz I. beanspruchte auch nach der Niederlegung der römisch-deutschen Kaiserkrone dieses Benennungsrecht für sich und seine Länder als selbst­verständlich fortbestehendes Privileg und zwar trotzdem die Rota gerade zu Beginn des 19. Jh. viel von ihrer einst weltweiten Bedeutung eingebüßt und zu einem in ihrem Kompetenzbereich auf den Kirchenstaat eingeeng­ten Gerichtshof herabgesunken war. Die Kurie, die sich zunächst nach 1806 ohne weiteres bereit zeigte, das dem Reich zustehende Emennungsrecht auf den Kaiser von Österreich zu übertragen, konnte, nachdem sich eben wegen dieses Ernennungsrechtes politische Schwierigkeiten mit dem Rheinbund und Napoleon I. abzuzeichnen begannen, nur nach mühsamen Verhand­lungen zu einer Übertragung dieses Vorrechtes auf das Kaisertum Öster­reich bewogen werden. Ob es sich hiebei nun um eine neue Privilegierung oder einfach um die Übertragung des alten, einst dem Reiche zustehenden Rechtes handelte, ist strittig. Tatsache ist, daß Österreich das Ernennungs­recht nach 1806 ausübte und zwar auch dann noch, als die Rota nach dem Untergang des Kirchenstaates ihre Tätigkeit de facto einstellen mußte und nur mehr dem Namen nach weiter bestand. Als unter dem Pontifikat Pius X. die Pläne für eine durchgreifende Kurienreform konkrete Gestalt annahmen und vor allem eine Neukonsti­tuierung der päpstlichen Gerichtshöfe, der Signatura Apostolica und der Sacra Rota Romana, erkennen ließen, befürchtete die kaiserliche Regierung nicht ohne Grund die Beseitigung der Benennungsrechte einzelner Regie­rungen für die Besetzung der Richterstellen der neuen Rota. Ohne Zweifel lag es in der Absicht des päpstlichen Stuhles, die Privilegien der Staaten und Städte bei der Besetzung der Richterstellen der neuen Rota aufzuheben

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