Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

HRAZKY, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher

228 Josef Hrazky Nur stand seine religiöse Überzeugung mehr auf Seiten der Gallikaner als der römischen Kirche. Die historische Schulung in der Kongregation von St. Maur entfernte ihn vollends von „den in Luthers Partei eng Verschworenen und Verbissenen“, zu denen seine Familie von jeher gehört hatte. Aber er könne, wie er beteuerte, nur die Haltung der fran­zösischen Katholiken sich zu eigen machen, nicht die der deutschen, die dem Aberglauben, noch die der Italiener, die der Autorität des Papstes zuviel Platz einräumten19). In seinem Schreiben vom 15. I. 1714 an Dom Bemard ist seine Parteinahme für Gallikanismus und Jansenismus deut­lich als Rückzugsstellung zu erkennen. Abermals wie in Paris stand die Bindung an seinen Vater seiner weiteren Laufbahn im Wege. Mont- faulcon verstand und behandelte die Ausfälle gegen die katholische Kirche mit Geduld. Aber der Ausweg, auf den sein Schützling schließ­lich verfiel, daß er vorerst mit jenem Rang sich begnügen wolle, in dem andere „Protestierende“ am Hofe dienten, wurde vom Kaiser verworfen. Von den beiden Ministem, die ihn unterstützten, war der einflußreichste, Graf Seilern, plötzlich gestorben20). Der andere, Thomas Gundaker von Starhemberg, war ein streng bekenntnistreuer Katholik und konnte als solcher die Anstellung eines Mannes nicht befürworten, der sich aus­bedungen hatte, Protestant bleiben zu dürfen. So lautete denn der Be­scheid, daß der Bewerber sich doch nicht immer mit einer untergeord­neten Stelle abfinden werde, also — nein. Doch waren der Protektoren zuviele und die Minen zu gut gelegt. So kam schon im Februar 1715 die Aufforderung, sich zum Dienst zu melden21), natürlich ohne Garantie für einen Aufstieg. Unterdessen versuchte Bartenstein in Erfurt, zweifel­los durch Vermittlung des Sachsen-Zeitzischen Kanzlers, seines Oheims, seine Aussichten auf eine Anstellung an einem mitteldeutschen Fürsten­hof zu sondieren. Das Ergebnis kann nur negativ gewesen sein. Er ließ während seiner Weiterreise nach Hamburg die Verhandlungen mit Wien nicht abreißen und schickte unermüdlich, was er aus deutschen Archiven, Bibliotheken und Auskünften bekannter Gelehrter für die Arbeiten sei­ner Wiener Freunde beisteuern konnte, an die Brüder P. P. Pez und an P. Steyrer. Sein maßlos empfindliches Ehrgefühl — es sollte ihm noch oft zu schaffen machen und ließ im Verein mit seinem stürmischen Tempera­ment ihn nie zu einem richtigen Hofmann werden — seine Überempfind­19) Kathrein, a. a. O., 23, S. 628—630; 24, S. 181—184. 20) Am 7. I. 1715. Den Eindruck, den dieser Todesfall auf ihn machte, bezeugen Bartensteins Worte an Steyrer vom 10. Februar 1715: „Mors Excel- lentissimi Comitis ä Seyleren acerbissimo doloris sensu me implevit. Deum precor ut oriatur aliquis qui divinas summi viri virtutes atque imprimis immensum quo in literas et literatos fervebat amorem semuletur et assequi tentet.“ 21) In dieser Sache hat den Greis sein Gedächnis kaum getrogen. Siehe Denkschrift an die Kaiserin vom 29. XI. 1752 bei H. Schiitter, Correspondance secrete ..., 1891, S. 359—363.

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