Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

HRAZKY, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher

Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher 227 meister, dem Fürsten Anton Florian Lichtenstein, die Erlaubnis erwirkte, das griechische Manuskript der Hofbibliothek, einen Psalmenkommentar des Origenes, daheim kopieren zu dürfen16). Jedenfalls wurde die Ab­schrift von da an rasch beendet. Daneben unterhielt er eifrig den Ver­kehr mit Männern, die ihn seiner Kenntnisse wegen schätzten und von denen er eine Förderung bei Hof erwarten konnte. Gentilotti stand da­mals beim Kaiser in hoher Gunst und war von Bartensteins Bildung und Manieren begeistert13). Auch mit einer Reihe von Vätern Jesu trat Bartenstein in rege Verbindung, unter ihnen befand sich P. Anton Steyrer, der Erzieher und Beichtvater der beiden Töchter des früh ver­storbenen Kaisers Joseph I. Der gelehrte Jesuit war dabei, eine Ge­schichte der berühmten Frauen aus dem Hause Habsburg zu verfassen, und der Elsässer, der Beziehungen zu Historikern von der Schweiz bis nach Schweden pflegte, vermochte ihm bei dieser Arbeit wertvolle Bei­träge zu verschaffen. Bartensteins und seiner Bekannten Briefe an Steyrer sind in der Materialsammlung des Jesuiten erhalten. Im ersten dieser Briefe dankt der junge Gelehrte dafür, daß der Pater ihn und seinen Freund vor der Erzherzogin Maria Josepha, der älteren Tochter Josephs I. „ehrend erwähnt“ habe17 18). Wahrscheinlich durch sie erhielt er später den Auftrag, für den sächsischen Kurprinzen ein französisches Schreiben für den Papst zu verfassen, in dem die Absicht des Prinzen, zur katholischen Kirche überzutreten, erklärt werden sollte. Konvertiten gab es damals am österreichischen Hof in großer Zahl und in hohen Stellungen. Der oberste Hofkanzler Graf Seilern, von dem sich Barten­stein viel für sein Unterkommen versprach, war in seiner Jugend Prote­stant gewesen, die Kaiserin selbst aus dem Hause Braunschweig-Wolfen- büttel war vom lutherischen Bekenntnis zur römischen Kirche über­getreten und in ihrem Gefolge war eine Reihe ehemaliger Evangelischer an den Kaiserhof gekommen 1S). Bekenntnis und Beruf. Umso seltsamer muß Bartensteins Hoffnung erscheinen, eine An­stellung in österreichischen Diensten ohne vorhergehenden Bekenntnis- wecbsel zu finden. Freilich war er durch den Umgang mit den Maurinern, besonders durch den Einfluß Dom Bernards, der den begabten Deut­schen wie einen Sohn liebte und ihn mit achtungsvoller Zärtlichkeit behandelte, dem katholischen Standpunkt schon sehr nahe gekommen. le) Braubach, a. a. O., S. 148. 17) Erzherzogin Maria Josepha war am 8. XII. 1699 geboren, demnach damals 15 Jahre alt. Der Brief Bartensteins an P. Steyrer vom 10. II. 1715, einer von 6 im HHSTA, Steyerer Collectanea 115, 1 erhaltenen, steht fol. 235/6, pag. 453—56, und ist von Erfurt datiert. 18) M. Braubach, Eine Satire auf den Wiener Hof in den letzten Jahren Kaiser Karls VI., MIÖG 53., 1939. 15*

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