Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

HRAZKY, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher

226 Josef Hrazky Dennoch tust du’s und, gleich dem Richter inmitten der Schwerter, Hältst du gerechtes Gericht, Meister der Rede und Schrift“ 14 *). Wer immer dem deutschen Studiosus in Paris den Zutritt zum könig­lichem Archiv ermöglichte, wo er einen Teil außenpolitischer Akten, Referate französischer Botschafter an den König und Reskripte des Ministers an die Vertreter der Krone einsehn durfte, es muß ein sehr hochgestellter Gönner gewesen sein. Eines wurde dabei dem angehenden Gelehrten klar: wie windig eine Geschichtsschreibung war, die nicht auf solchen letzten geheimen Quellen beruhte, wie unmöglich daher jede Zeitgeschichte, der doch solche Quellen immer verschlossen blieben. Diese Pariser Erfahrung scheint die endgültige Entscheidung in seiner Berufswahl angebahnt zu haben: von der Forschung weg zum Staats­dienst. Aber Paris war nicht der geeignete Boden; trotz sorgfältiger Vorbereitung — er sprach und schrieb Französisch und Latein wie seine Muttersprache — und glänzender Empfehlung fand sich keine Stelle für ihn. Später meint er, er habe sich „der Scheelsucht und der Cabale nicht aussetzen wollen“ 1B). Kaum glaublich, daß ein Mann seiner Witterung und Phantasie von dem Ausmaß an „Scheelsucht und Cabale“ an einem Kaiserhof nichts geahnt hätte. Zeit seines Lebens vergaß er nicht, was er den Benediktinern der Kongregation von St. Maur im Kloster von St. Germain-des-Prés verdankte, und erwies sich, wo er konnte, erkennt­lich, indem er die Arbeiten der Ordensmitglieder nach Kräften förderte und unterstützte. Durch die Mauriner wurde er, als er im Frühjahr 1714 von Straßburg nach Wien reiste, an die P. P. Bemard und Hieronymus Pez im Stift Melk, von Dom Bemard v. Montfaulcon an den kais. Hof­bibliothekar Gentilotti v. Engelsbrunn, den späteren Erzbischof von Trient, empfohlen. Wahrscheinlich wählten Bartenstein und sein Freund Widow den wohlfeilsten Weg von Straßburg nach Wien: auf einer „Ulmer Schach­tel“ die Donau abwärts bis Melk. Seine nächste Sorge mußte dem Unter­halt in der teueren Residenz gelten. Vermutlich verschafften ihm die Empfehlungsbriefe der Melker Patres eine Stelle als Hofmeister bei den zwei Söhnen des Hofkammerrats Johann David v. Palm, der ..neben dem Peters-Freithof“ sein Haus hatte. In Wien oblag Bartenstein neben Er­ziehung und Unterricht der beiden Knaben die Herausgabe der von seinem Oheim bearbeiteten Geschichtstabellen Schraders und die Ab­schrift eines griechischen Manuskripts, die er für den befreundeten Mauriner Dom Charles de la Rue übernommen hatte. Durch Widow wurde Bartenstein dem damals in Wien weilenden Leibniz vorgestellt, der kurz vor seiner Abreise die beiden jungen Leute empfing, von dem Straßburger den besten Eindruck gewann und ihm beim Obristhof­14) Braubach, a. a. 0., S. 144, 3., 1—6. 1B) An Pez, 6. X. 1714. Th. Mayer.

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