Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

HRAZKY, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher

Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher 225 Titel eines Doktors der Philosophie erworben. Zwei Jahre später war seine juristische Dissertation „Ueber Erbschleicher“ in Druck erschie­nen 12) und er zum Lizentiaten beider Rechte promoviert worden. Darüber waren sich alle, die den jungen Elsässer kannten, klar, daß ihn seine ganz ungewöhnliche Begabung und Arbeitskraft befähigten, in Regierungsgeschäften einer Großmacht Bedeutendes zu leisten. Zwar zog ihn reges wissenschaftliches Interesse zu volkskundlichen, sprach­lichen und religionsgeschichtlichen Problemen der Vergangenheit, aber gleichzeitig folgte er den Unternehmungen der europäichen Kabinette mit der leidenschaftlichen Anteilnahme und dem instinktiven Verständ­nis des geborenen Politikers. Im persönlichen Verkehr zeigte dieses Genie des Umgangs eine ausnehmende Liebenswürdigkeit des Betragens13), die ihm reifere hochgebildete Naturen, an deren Sympathien ihm lag, unweigerlich zu Freunden gewann. Dabei legte er auch hochverehrten Menschen gegenüber einen Freimut an den Tag, wie er zu dieser Zeit nur selten vorkam. An den Studienerfolgen seines Sohnes hatte der Vater als Lehrer und Erzieher gewiß einen bedeutenden Anteil. Und wenn er auch ungern daran dachte, welcher Schaden ihm selbst aus einer Anwalttätigkeit erwachsen konnte, die den jungen Juristen in Konflikt mit dem Stadt­senat bringen mußte, daß der Sohn die gewonnenen Verbindungen in Paris für sich spielen ließ, dagegen hatte er sicher nichts einzuwenden. Die historische Arbeit galt im Grunde einer Rechtsfrage, ob nämlich ein Kurfürst als Reichsstand gegen den Kaiser als Reichsoberhaupt die Waffen erheben durfte. Die Antwort lautete: ja, weil es in Verteidigung der verbrieften Rechte der Reichsfürsten geschah. Nicht das Resultat, das für die protestantische Überzeugung von vornherein feststand, son­dern die der Arbeit zugrundeliegende Gesinnung bestimmt ihren Wert; die Schilderhebung des Rechtsgedankens über alle andern Motive poli­tischen Handelns. Sie entspringt dem Rationalismus eines Hugo Grotius und eines Samuel Pufendorf und weist auf den ethischen Idealismus Kants voraus. Dichterisch hat der poéta laureatus von Straßburg, Samuel Arto- poeus, auch ein Mutterbruder des jungen Doktors, für den Gedanken­gang seines Neffen in dem Preislied auf dessen Werk den stolzesten und schönsten Ausdruck gefunden: „Schiltst die Kriege und prüfst die Rechte der Fürsten und Herrscher: Deinem Geiste behagt alles, was groß ist und schwer, Enkel der Bartenstein! und schwer, fürwahr, zu vereinen Ist der Waffen Entscheid mit dem Gebote des Rechts. 12) A. a. O. 13) „eximia suavitas morum“ : Studien aus d. Ben. Orden, 23. Bd., I. E. Kathrein, S. 392, Anm. 2. Mitteilungen, Band 11 15

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