Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

HRAZKY, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher

224 Josef Hrazky Herrschaft Erbreichs-dorff vor alters besessen, woselbsten ihre Grab­steiner noch befindlich“ 10), so müßten wir über das vollständige Barten- steinsche Familienarchiv von Hennersdorf verfügen, das 1844 zum gro­ßen Teil durch Brand vernichtet wurde, um über die Berechtigung zu urteilen, mit der das Geschlecht „derer von Beckhen“ auf das „derer von Beck“ zurückgeführt wird. Aber daß der genealogisch-historische Spür­sinn des in der Schule der Mauriner erzogenen Forschers auch hier, wo es sich um die Ahnen seiner Mutter handelte, schwerlich weit in die Irre ging, ist von vornherein anzunehmen. Schon daß er die „Grabsteiner“ auf der Herrschaft Ebersdorf als Beweis anführt, um 1733 etwas ganz Ungewöhnliches und Neues, verrät die Methode seines Meisters, des Begründers der modernen Altertumswissenschaft Bernhards von Mont- faulcon. Doch mag ihn auch sein Eifer verleitet haben, mehr zu ver­muten als er beweisen konnte, die GEWISSENHAFTIGKEIT seiner Angaben steht außer Zweifel und durch das Ritterstandsdiplom beider Oheime ist er von dem Anschein der Hochstapelei, den noch die jüngste Geschichtsschreibung auf ihm ruhen läßt, wohl für immer be­freit. Was das für die Beurteilung seines Charakters bedeutet, der seit Podewils’ Berichten trotz aller Anerkennung in einem schiefen Lichte stand, bedarf keiner weiteren Worte. Der Bildungsweg. Die Pariser Reise, die der damals 22 jährige Straßburger Profes­sorensohn, Doktor der Philosophie und Lizentiat beider Rechte, mit sei­nem um vier Jahre älteren Studienfreund aus Hamburg Konrad Widow im Sommer 1712 unternahm, sollte wohl gleichzeitig seiner wissenschaft­lichen Ausbildung wie der Anbahnung einer Anstellung dienen. Es war schon dreißig Jahre her, daß die alte Reichsstadt gewaltsam Frankreich angegliedert war, und der junge Deutsche dachte nicht mehr so, wie seine Mutterbrüder noch 6 Jahre zuvor sich geäußert hatten. Ihm wäre es nicht als Versklavung erschienen, durch Vermittlung elsässischer Adelskreise, deren Gerechtsame er bei der Stadtregierung von Straßburg vertreten sollte, und durch Fürsprache der 69 jährigen Herzogin von Orléans, der berühmten Liselotte von der Pfalz, in den Dienst der fran­zösischen Krone zu treten. Schon hatte er, als er mit seinem „getreuesten Achates“, Widow, nach Paris aufbrach, alle Titel und Diplome, die die Universität seiner Heimatstadt einem jungen geisteswissenschaftlichen Arbeiter verleihen konnte, erhalten. Mit 19 Jahren hatte er seine histo­rische Abhandlung „Ueber den Krieg des Kurfürsten Moritz von Sachsen gegen Kaiser Karl V. und die daraus entstandenen Reichswirren“ 11) zum Druck geben können, sie als Dissertation vorgelegt und darauf den 10) Freiherrnstandsdiplom, S. 4. al) Braubach, a. a. O., S. 104.

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