Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

KÜHNEL, Harry: Die Leibärzte der Habsburger bis zum Tode Kaiser Friedrichs III.

6 Harry Kühnei Die Augenkrankheit Isabellas von Aragonien. Isabella yon Aragonien, die im Jahre 1313 mit Friedrich I. den Bund der Ehe geschlossen hatte, mußte in ihrer neuen Heimat schwere Schick­salsschläge hinnehmen. Zunächst verlor sei ihren Hofstaat wegen der zerrütteten wirtschaftlichen Lage; nach der Schlacht bei Mühldorf geriet ihr Gatte in die Gefangenschaft Ludwigs des Bayern. Schließlich wurde sie selbst nach der Rückkehr Friedrichs von einem schweren Augenleiden befallen. Im Juni 1326 bat sie ihren Vater flehentlich, ihr rasch einen erfahrenen Arzt zu senden, weil sie kaum Licht und Dunkel zu unter­scheiden vermöge und die einheimischen Ärzte wenig Bescheid wüßten. Der Befund der Mediziner lautete aber übereinstimmend auf „cater- acta“. König Jayme versprach sogleich, die Ärzte seines Landes zu­sammenzurufen, doch erst 1329 hören wir, daß der 1327 zum König gewählte Alfons IV., Bruder der Isabella, den Arzt Jacob sa Rocha ausfindig machen ließ und ihn seiner Schwester zu senden beabsichtige. Zum Zeitpunkt des Todes Friedrichs weilte Rocha jedoch noch immer in Aragonien; fünf Monate danach weilte auch Isabella nicht mehr unter den Lebenden24). Die im Laufe des Jahres 1326 aufgetretene „infirmitas oculorum“, die es der aragonesischen Königstochter erschwerte, das Sonnenlicht wahrzunehmen und die Tatsache, daß sie weiterhin urkun­dete, schließen eine völlige Erblindung Isabellas aus. Wohl aber deutet der Ausdruck „cateracta“, den Du Cange 25) mit oculi suffusio erklärt, auf das Vorhandensein eines Stars hin. Das gallische Wort „cateracte“ und das gleichlautende französische Substantiv weisen auf den grauen Star hin. Um einen solchen hat es sich ohne Zweifel auch gehandelt, da der heute gebräuchliche medizinische Fachausdruck für den grauen Star gleichfalls „Katarakt“ lautet26). König Friedrich ist jener habsburgische Fürst, der als erster einen Mediziner österreichischer Herkunft in seine Dienste nahm. Im Mai des Jahres 1316 bestätigte er auf Bitte seines Arztes, Magisters Pernold, Pfarrers der Kirche der hl. Maria in Spital am Semmering, die Stif­Register, S. 34, n. 26 und 27. Zeißberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrichs des Schönen von Österreich (Wr. SB., Bd. 137, 1898), S. 97 und 203 f. Lothar Gross, Regesta Habsburgica III (Innsbruck 1924), n. 289 und 318. Fer­dinand Ughelli, Italia sacra V (1720), Sp. 863/64. J. Fr. Böhmer, Regesta Imperii 1314—1347 (Frankfurt/Main 1839), S. 170, n. 87. Bei E. M. Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg, Bd. 3 (1838), S. DXXIV, n. 344 b, S.CCCLVIII, n. 345 ungenaue Wiedergabe. 24) ' Zeißberg, Elisabeth von Aragonien, S. 87 f. und 90. Heinrich Finke, Acta Aragonensia I (1908), S. 379, n. 256; ebenda III (1922), S. 551, n. 258, S. 555, n. 262. Gross, Regesta Habsburgica III, n. 1705, 1757, 1758 und 1967 a. 25) Glossarium mediae et infimae latinitatis II (1883), S. 221. 26) Heinrich Haeser, Lehrbuch der Geschichte der Medizin und der epidemi­schen Krankheiten. Bd. 2 (Jena 1881), S. 456. Konsüium. Diagnostisch-thera­peutisches Taschenbuch (München-Berlin-Wien 1957), S. 24.

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