Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

456 Literaturberi chte Kara Mustafa als das Tagebuch des Zeremonienmeisters ist; es zeigt ganz schonungslos die Mängel der türkischen Kriegführung auf. In einem dritten Teil behandelt Kreutei schließlich noch eine türkische Planskizze der Belagerung Wiens, die 1932 vom Museum der Stadt Wien in einer aus dem Archiv Suleiman Paschas stammenden und 1688 in Belgrad erbeuteten Handschrift erworben wurde. Dieser Plan, der im Faksimile wiedergegeben wird, hat der Herausgeber schon früher ausführlicher untersucht134). Die Skizze beweist übrigens, daß die Angaben Evlijäs im allgemeinen richtig sind. Im ganzen muß die Ausgabe des Tagebuches, die ebenfalls vorzüglich kommentiert und eingeleitet ist, als ein vielversprechender Anfang gewertet werden, der die Geschichtsforschung neue Gesichtspunkte und Erkennt­nisse erhoffen läßt135 *). Als wichtigstes Hilfsmittel für das Jahr 1683 sei hier noch einmal die nützliche Bibliographie von Sturminger in Erinnerung gebracht, die sich — wie bereits bemerkt — in der Hauptsache mit der zweiten Türken­belagerung befaßt1S6). Die wichtigeren Werke der zeitgenössischen Türken­literatur werden auch von Coreth behandelt137). Eine hervorragende österreichische Quelle aus der Zeit der zweiten Türkenbelagerung hat Hermann Watzl vor kurzem veröffentlicht138). Der Präfekt der Sängerknabenschule des Cistercienserklosters Heiligenkreuz bei Wien, der unter den Augen der Feinde mit zwölf Buben fliehen mußte, hat, zweifellos auf Grund von Tagebuchaufzeichnungen drei Jahre nach den Geschehnissen seine Erlebnisse in einer zusammenhängenden Darstel­lung niedergelegt. Die Schrift verdankt ihre Entstehung l'eligiösen Motiven und wurde vom Verfasser, der nach der Zerstörung von Heiligenkreuz Kapellmeister und Kaplan am Damenstift in Hall in Tirol wurde, am Gnadenaltar in Altötting niedergelegt. Auf Umwegen, die sich heute nur mehr zum Teil verfolgen lassen, gelangte das Originalmanuskript ins Kloster Heiligenkreuz. Bisher sind nur kleine Teile daraus bekannt gewesen. Watzl hat mit Recht nur die Teile ediert, die sich unmittelbar auf den Türkenkrieg bezogen. Sie geben ein erschütterndes Bild sozusagen aus der Perspektive der am meisten in Mitleidenschaft gezogenen unteren Be­völkerungsschichten, des niederen Klerus und der Landbevölkerung, von dem schrecklichen Sommer des Jahres 1683. Da infolge des allgemeinen Leichtsinns alle Abwehr- und Fluchtvorbereitungen bis in die allerletzten Tage vor dem Eintreffen der Tatarenhorden aufgeschoben wurden, mußte 134) Richard F. Kreutei, Ein zeitgenössischer türkischer Plan zur zweiten Belagerung Wiens. (WZKM. 52. Bd„ 1953, S. 212 ff.) 135) Vg], die Rezensionen von F. Babinger (HZ. 183, 1957, S. 719 f und Süd­ostforschungen 15, 1956, S. 638 f.) G. Livet (Revue Historique 217, 1957, S. 425 f.). W. Sturminger (MIÖG. 64, 1956, S. 360 ff.). 13«) S. o. S. 448. 137) Anna Coreth, Österreichs Geschichtsschreibung in der Barockzeit 1620— 1740. (Veröffentlichungen der Kommission f. Neuere Geschichte Österreichs 37.) Wien 1950. 133) P. Hermann Watzl (ed.) Flucht und Zuflucht. Das Tagebuch des Prie­sters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683. (Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich Bd. 8.) Graz 1956. Vgl. die Besprechung von W. Sturminger (MIÖG. 56, 1957, S. 189 f.)

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