Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Österreich und die Osmanen 457 Kleinschroth, um Geldmittel für die Flucht mit seinen Knaben zu erhalten, in einem Gewaltritt zu seinem Abt nach Säusenstein. Bei seiner Rückkehr in das schon hart bedrängte Kloster hat er noch manche Not mit einem zur äußersten Verteidigung entschlossenen wehrhaften Bruder. Im letzten Moment gelingt es ihm, mit dem Rest des verängstigten Konvents zu ent­kommen. Bei der beschwerlichen Flucht mit seinen Buben über den Annaberg und durch die Eisenwurzen ins Land ob der Enns, kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit den aufgeregten Bauern, die über die Flucht der Herrn und des Klerus empört sind, weil sie sich vielfach allein dem Feinde überlassen sehen. Der Zorn und Haß der Landbevölkerung richtet sich in erster Linie gegen die Jesuiten, die man wegen der religiösen Ent­wicklung in Ungarn für den Krieg verantwortlich machte. Hier macht sich besonders deutlich der Umstand bemerkbar, daß die Gegenreformation in Österreich bis zu dieser Zeit noch sehr an der Oberfläche haften geblieben war. Kleinschroth, der durch sein Musikantentum offenbar im weiteren Umkreis des Klosters bekannt und beliebt war, ging es auch wegen der von ihm fürsorglich betreuten Buben besser als manchem seiner Mitbrüder. Nach seiner Ankunft im Lande ob der Enns gelingt es ihm, seine Schützlinge an verschiedenen Stellen unterzubringen. Er selbst kehrt nach kurzem Aufenthalt in Passau und nach einer ernsten Erkrankung aus Linz auf dem Schiffsweg in das befreite Wien und in das zerstörte Heiligen­kreuz zurück. Die Schilderung der Zerstörungen und die Wiedergabe von Erlebnisberichten einfacher Leute machen diesen letzten Teil des Buches besonders interessant. Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang die immer wiederkehrende Beobachtung, daß sich viele Angehörige der unteren Volksschichten den Tataren als ortskundige Führer, ja sogar als Mit­kämpfer angeschlossen haben. Zusammenfassend muß man das Erscheinen dieses ganz ausgezeichneten sehr begrüßen, da es uns eine Quelle über das Jahr 1683 erschließt, die uns bisher verwehrte Einblicke in von der historischen Forschung zu wenig berücksichtigte Gebiete gewährt. Der Obervorgeher der Innerberger Hauptgewerkschaft und Bürger­meister von Steyr, Gregor Schinner, der mit einem Munitionstransport kurz vor der Belagerung bis Wien kam, hat über seine Erlebnisse Briefe und offizielle Berichte verfaßt, die im Steiermärkischen Landesarchiv liegen und von Fritz Posch herausgegeben wurden139). Eine Gesamtdarstellung des Türkenjahres 1683 ist nach dem ideen­reichen Buch von Lorenz 14°), das — in seiner Grundhaltung gesamtdeutsch — doch das Geschehen in einen europäischen Rahmen stellt, nicht mehr erschienen. Loidl hat nach den Protokollen der Augustiner-Barfüsser in Wien kleine Nachrichten über die Belagerung publiziert141). In einem heimatkundlichen Werk wurden die Schäden des Türkeneinfalls von 1683 139) Fritz Posch, Gregor Schinners Erlebnisberichte über den Türkeneinfall des Jahres 1683 (Unsere Heimat. 26. Jg., 1955, S. 160 ff.). 14«) Reinhold Lorenz, Türkenjahr 1683. Wien 1933. 3. Aufl. 1944. i4i) Franz Loidl, Von der Pest- (1679) und Türkennot (1683) des Hof- und Augustiner-Barfüsser-Klosters in Wien. (Wiener Geschichtsblätter 62, 1942, S. 79 ff.).

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