Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

446 Literaturberichte Das komplexe Verhältnis der Reformation zur Türkenfrage geht ur­sprünglich auf die Ablehnung des Ablaßmißbrauchs zurück, der seinerseits auch eine Folge der Kreuzzugspolitik darstellt. Die Reformatoren wußten um viele Hintergründe der päpstlichen und weltlichen Türkenpolitik. Dies bestärkte sie darin, wie Pfister kürzlich feststellte76), mißtrauisch gegen­über jenen zu sein, die für sie letztlich ebenso Feinde Christi waren, wie die Türken selbst. Der Reformation ging es auch beim Kampf mit dem Islam in erster Linie um die geistige Auseinandersetzung. In den ersten Jahren war man auf Seiten der Protestanten zunächst gar nicht auf den Gedanken gekommen, die Frage der Türkenhilfe mit politisch-religiösen Forderungen zu verknüpfen, wie Fischer-Galati nachgewiesen hat77). Aber auch im weiteren Verlauf der Reformation bestanden zwischen ihren Fort­schritten und dem Vordringen der Türken nur kausale, keine von den Be­teiligten beabsichtigten Verbindungen. Daß diese allerdings sehr weit gingen, hat derselbe Verfasser am Beispiel des Augsburger Religions­friedens gezeigt78). Die Politik der beiden habsburgischen Brüder in Deutschland von 1547 bis 1555 läßt sich zu einem großen Teil aus der Haltung der Pforte bzw. aus ihren Verwicklungen in Asien erklären. Die Landstände in Österreich, auch die protestantischen, haben sich, wie in einer Wiener Dissertation nachgewiesen wurde, im wohlverstandenen Selbstinteresse willig an der Türkenabwehr beteiligt79). Wenn die bewillig­ten Gelder oft nur langsam eintrafen, waren dafür eher wirtschaftliche Gründe maßgebend. Roderich Gooß, der verdienstvolle Herausgeber der österreichischen Staatsverträge mit Siebenbürgen80), hat auf breitester archivalischer Grundlage und unter gewissenhafter Heranziehung der einschlägigen Lite­ratur eine Geschichte der Siebenbürger Sachsen verfaßt, die von den An­fängen bis zum Ende des Kampfes Ferdinands I. reicht81). Da der Haupt­teil die Zeit von 1526—1538 behandelt, findet sich in dem Werk eine Fülle wertvoller Angaben über die Türkenpolitik Ferdinands I. Leider hat das Buch des kenntnisreichen Autors, der 1951 verstorben ist, keine Fortset­zung gefunden. Sehr unterschiedlich wird die Auswirkung der Türkenherr­schaft bei den unterworfenen Völkern beurteilt. Im allgemeinen neigt man jetzt eher dazu, nicht nur die negativen Folgen der osmanischen Er­76) Rudolf Pfister, Reformation, Türken und Islam (Zwingliana Bd. 10, Heft 6, 1956, S. 345 ff.) 77) Stephen A. Fischer-Galati, Ottoman Imperialism and the Lutheran Struggle for Recognition in Germany 1520—1529. (Curch History 23, 1954, S. 46 ff.) 78) Stephen A. Fischer-Galati, The Turkish Question and the Religious Peace of Augsburg. (Südostforschungen 15, 1956, S. 290 ff.) 70) Andreas Schneider, Die Mitwirkung der niederösterreichischen Stände bei der Türkenabwehr unter Ferdinand I. und Maximilian II. Diss. Wien 1939. 80) Roderich Gooß, Österreichische Staatsverträge. Fürstentum Siebenbürgen 1526—1690. (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Öster­reichs 9.) Wien 1911. 81) Roderich Gooß, Die Siebenbürger Sachsen in der Planung deutscher Süd­ostpolitik. Von der Einwanderung bis zum Ende des Thronstreites zwischen Ferdinand I. und König Johann Zápolya. Wien 1940.

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