Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Österreich und die Osmanen 447 oberung zu betonen, sondern auch gewisse Vorteile zu erkennen, die die Herrschaft des Sultans in sozialer und nationaler Beziehung den unter­drückten Völkern brachte82). Tatsächlich hat die Osmanenherrschaft Ent­wicklungen ausgelöst, die nicht in der Absicht des Sultans liegen konnten. Auch war die Bevölkerung mancher Gegenden vor dem Einbruch der Tür­ken derart unterdrückt, daß sie das osmanische System zunächst als Er­leichterung empfinden mußte. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Proble­matik näher einzugehen, doch kann zusammenfassend festgestellt werden, daß die Lage der christlichen Untertanen der Pforte zeitlich und örtlich sehr verschieden war. Auch wurden z. B. die Orthodoxen gegenüber den Katholiken bevorzugt83 ) und man wird vor allem immer wieder daran erinnern müssen, daß bei den Kriegszügen, an denen Tataren teilnahmen, die Bevölkerung derjenigen Gebiete des Osmanischen Reiches, durch die der Anmarsch erfolgte, den schwersten Drangsalen ausgesetzt war84). Immerhin gab es Gebiete, in denen die einheimische Bevölkerung im Bünd­nis mit den türkischen Herrn lebte und wo später den vordringenden kaiserlichen Heeren auch seitens der Balkanslaven Widerstand geleistet wurde85). Besondere, von den übrigen Gebieten des Osmanischen Reiches ver­schiedene Verhältnisse herrschten im türkischen Teil von Ungarn. Darüber finden wir jetzt eine zusammenfassende Darstellung bei Miskolczy86). Fekete hat sich in mehreren Studien mit den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen Ungarns auf Grund der türkischen Quellen befaßt87). Es mag hier noch kurz auf einige volkskundliche Arbeiten hingewiesen werden, die sich mit den Einwirkungen der Türken auf das Volkstum in Österreich und Deutschland befassen. Kein anderes fremdes Eroberervolk hat hier so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, wie die Osmanen. Eine allgemeine volkskundliche Untersuchung über das Türkenmotiv verdanken 82) Vgl. zum folgenden: Maximilian Braun, Türkenherrschaft und Türken­kampf bei den Balkanslaven. (Die Welt als Geschichte 6, 1940, S. 124 ff.) Ders.: Die Slaven auf dem Balkan. Leipzig 1941. Eugen Horváth, Südosteuropa unter türkischer Herrschaft. (Südostdeutsche Rundschau, Jg. 2, 1943, S. 713 ff.) Nikolaus Massalsky, Die Osmanen auf dem Balkan und im Donaubecken. (Donau­europa, 4. Jg., 1944, S. 327 ff.) Fritz Valjavec, Geschichte der deutschen Kultur­beziehungen zu Südosteuropa, 2. Bd. (Südosteuropäische Arbeiten 42.) München 1955. 83) Josef Balogh, Existenz und Rechtslage der katholischen Kirche in Ungarn zur Zeit der Türkenherrschaft. Rom 1939. 84) Koloman Juhász, Das Tschanad-Temesvarer Bistum während der Türken­herrschaft 1552—1699 (Deutschtum und Ausland 61./63. Heft), 1938. 85) Vgl. dazu Heinrich Felix Schmid, Österreichs Funktion in der Geschichte der europäischen Ostpolitik. (Bericht über den 3. österreichischen Historikertag in Graz 1953, Veröffentlichung der Verbände österreichischer Geschichts­vereine 4, 1954, S. 168 ff.) se) Miskolczy Gyula, A magyar nép történelmi Mohácsi véstől az első világhábornig. Rom 1956, 87) L. Fekete, II sistema dei possedimenti nell’Ungheria sottomessa ai Turchi (Annali, Istituto Universitario Orientale di Napoli, N. S. I, 1940, S. 103 ff.). Ders., Ofener Kaufleute zur Zeit der Türkenherrschaft. (Festschrift F. Giese, Die Welt des Islams, Sonderband. Leipzig 1941, S. 98 ff.)

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