Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

PILLICH, Walter: Die Flüchtung der Schatzkammer, des Archivs und der Hofbibliothek aus Wien im Jahre 1683

140 Walter Pillich te20). Die wertvollsten Kleinodien enthielt darnach der 13. Schrank der weltlichen Schatzkammer: Die rudolfinische Hauskrone, Szepter und Reichsapfel21), das Modell der römisch-deutschen Kaiserkrone22 23), die böh­mische Krone mit Szepter und Apfel2S) und die ungarische Bocskay-Krone mit Szepter und Apfel24), sowie zahlreiche näher bezeichnete und bewer­tete Diamanten und Edelsteine25). Es dürfte vermutlich zuerst nur der wertvollste Bestand der Schatzkammer auf dem Landweg nach Linz ge­flüchtet worden sein. Der aus mehreren Wagen bestehende Transport er­reichte am 12. Juli abends Melk und übernachtete auch dort mit seiner Begleitung26). Der Schatzmeister Ladner, sein Sohn, der kaiserliche Kammerdiener Matthias Maximilian und die beiden kaiserlichen Kammer­trabanten Michael Lohrer und Hans Georg Schuester begleiteten den Trans­port, der auch militärisch gesichert wurde27). Angelo de Pazzi, Hauptmann des „Stierumb- u. Savoyischen“ Regiments, wurde mit einem Leutnant und Wachtmeister, 2 Korporalen und 50 Mann zur Sicherung bis Linz, bezie­hungsweise dann weiter bis Passau, kommandiert28). Diese Sicherung sollte sich als notwendig erweisen, weil die türkische Streitmacht seit 14. Juli durch Gefangenenaussagen über die Flucht des Kaisers informiert war29). Auch Johann Anton Balthasar, der Sohn des Rebellenführers Peter Zriny, stand im Verdacht, die Flucht des Kaisers und des kaiserlichen Schatzes den Türken verraten zu haben30). Am 16. Juli sollen 5.000 streifende Tata­20) Arnold Luschin v. Ebengreuth, Die ältesten Beschreibungen der kaiser­lichen Schatzkammer zu Wien in: Jahrbuch der kunsthist. Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 1899, Bd. 20, II. Teil, Reg., n. 18.307, S. CXC —CXCVI. Vgl. hiezu besonders Alphons Lhotsky, Festschrift des Kunsthist. Museums zur Feier des fünfzigjährigen Bestandes, Bd. II/l, Die Geschichte der Sammlungen, Wien 1941.—1945, S. 366 f. 21) Heute in der Schatzkammer zu Wien, vgl. H. Fillitz, Katalog der weltlichen und der geistlichen Schatzkammer, Wien 1954, S. 18 ff. 22) Als Königskrone von Kaiser Ferdinand II. angefertigt und 1772 einge­schmolzen, vgl. H. Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, Wien-München, 1954, S. 31. 23) Die Wenzelskrone heute in Prag, Reichsapfel und Szepter heute in der Schatzkammer zu Wien, vgl. H. Fillitz, Katalog ... S. 10. 24) Seit 1610 in der Schatzkammer in Wien, vgl. H. Fillitz, Katalog . . . S. 20 f. 23) Die genannte „Beschreibung ...“ der geistl. u. weltl. Schatzkammer von 1680, S. 12 ff. 26) Hermann Watzl, Flucht und Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683, Graz-Köln, 1956, S. 61 und 62, Anm. a), u. A. Schramb, Chronicon Mellicense seu Annales Monasterii Melli- censis, Viennae 1702, S. 935. 27) H.K.A., Hofzahlamtsbuch 1683, fol. 57 v und 346 r. 28) H.K.A., Hofzahlamtsbuch 1683, fol. 257 r. 2°) Richard F. Kreutei, Kara Mustafa vor Wien, Graz-Wien-Köln (1955), S. 33. 30) Sturminger, n. 716, S. 392, 404 und 405; Hermann Watzl, a.a.O., S. 62.

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