Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung
538 Literaturberichte Der erste Weltkrieg brachte bekanntlich zahlreiche Vorschläge engerer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich. Anläßlich der möglich gewordenen Eroberung Polens durch die Mittelmächte im Jahre 1915 drängte General Falkenhayn zum Abschluß eines zentraleuropäischen Staatenbundes: in diesem müßte nach seiner Forderung Deutschland die Präsidialmacht bilden, Österreich hingegen auf seine Militärhoheit und seine Souveränität weitgehend verzichten. „Wenn wir Österreich-Ungarn“, — so schreibt er, — „in dieser Weise beherrschen, kann eine Militärkonvention von Bedeutung sein“ (S. 192 f.), — sonst aber nicht, aus Furcht vor einer neuen Hegemonie Österreichs. Diese unsinnige Zumutung Falkenhayns an Österreich, gerade im Falle eines Sieges auf solche Vorschläge einzugehen, machten es Bethmann-Hohlweg überhaupt nicht möglich, über eine Militärkonvention ernstlich zu verhandeln. Auf österreichischer Seite hatte die Mitteleuropaidee vor allem im großdeutschen Lager Fuß gefaßt und kam auch zum Ausdruck in einer Denkschrift, die von Fried jung, Hainisch, Philippovich und Uebersberger herausgegeben wurde, während sich die Regierung zurückhaltend verhielt. Denn wenn auch die von Bethmainn-Hohlweg dem Außenminister Burian übergebenen Vorschläge einer engeren, zunächst wirtschaftlichen Verbindung der Staaten von den Ideen Falkenhayns abgerückt waren, so atmen sie doch einen ähnlichen Geist, ja einen solchen, der das Staatsdenken des nationalsozialistischen Deutschland schon vorzeichnet. Es wird hier nicht nur Österreich beinahe anbefohlen, Vorkehrungen zu treffen, um „eine fortschreitende Slavisierung“ zu verhindern, sondern es wird in grober Verzeichnung die Bedeutung Österreichs nur im Sinne einer „germanischen Ostmark“ gesehen. Dem gegenüber ist die Antwort Österreichs erfreulich in ihrer klaren und ruhigen Ablehnung dieser für eine Zusammenarbeit unmöglichen Haltung eines Partners. Als letzter der zeitlich geordneten Beiträge folgt eine Studie von Arthur J. May, ,,Woodrow Wilson and Austria-Hungary to the end of 1917“. Es wird hier zunächst die unglückliche Dumba-Affäre berührt, die hervorging aus der Tendenz der österreichischen Vertretung in Amerika, die österreichisch-ungarischen Staatsbürger aus der amerikanischen Kriegsindustrie, in der sie vielfach beschäftigt waren, herauszulösen. Die durch dieses Ereignis gegen Österreich irritierte öffentliche Meinung wurde noch lebhafter erregt durch die Versenkung der Ancona, eines italienischen unbewaffneten Linienschiffes, das amerikanische Passagiere an Bord führte, durch ein deutsches U-Boot, das mit österreichischer Flagge fuhr. Trotz alledem, und obwohl die schließliche Abstimmung zugunsten des Krieges gegen Österreich einstimmig erfolgte, — indes sich gegen die Kriegserklärung an Deutschland eine Stimme von acht erhoben hatte, — ist der Krieg gegen Österreich aber durchaus nicht aus einem Affekt, sondern aus technischen Erwägungen der Strategie hervorgegangen. Anna C o r e t h (Wien).