Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung
Rezensionen 537 gangen waren, — besonders der letzte von Wichtigkeit ist. Er enthält Mitteilungen des päpstlichen Nuntius in Wien, Galimberti, die in wesentlichem Gegensatz zu der offiziellen Version der Todesart des Kronprinzen stehen. Es ist darin von einem Gerücht die Rede, wonach dieser ermordet worden sei, und es wird auf Umstände hingewiesen, die jene Auslegung nahelegen würden, während anderes dagegenspricht. Zu der Frage der angeblichen Geistesverwirrung des Selbstmörders werden einige Briefe beigebracht, die zum Großteil im Archiv des Marquess of Salesbury in Oxford hinterlegt sind. Es handelt sich um Schreiben des Prinzen Philipp von Saehsen- Coburg-Gotha, des Schwagers der Kronprinzessin und Freundes des Kronprinzen, an Königin Viktoria von England, und dieser Königin an den Premierminister Lord Salesbury. Diese Bemerkungen oder Kundgebungen persönlicher und offizieller Meinung ebenso, wie auch das Urteil, das eine heutige, nicht genannte medizinische Autorität über jenes seinerzeitige ärztliche Gutachten abgab, bekräftigen nicht deutlich das Faktum der Geistesverwirrung. So ist nun das ganze komplexe Problem neuerlich aufgerissen, und wenn auch die Dinge im Augenblick beinahe noch unklarer liegen als bisher, so sind der Forschung nun neue Anhaltspunkte in die Hand gegeben. Ob sie sich als haltbar erweisen werden, oder ob, wie bisher die Wahrheit sich immer wieder in das bergende Dunkel des Geheimnisses zurückziehen wird, dies wird sich bei der weiteren Auswertung dieser Funde zeigen. In einem interessanten Aufsatz „Ein deutsch-böhmischer Bischof zur Sprachenfrage“, beleuchtet Robert A. Kann die Stellungnahme des sehr bedeutenden Ordinarius für Kirchenrecht und Moraltheologie in Prag, des späteren Weihbischofs Wenzel Frind (1843—1932), zu diesem Problem. Frind, dessen W'esensähnlichkeit mit Ignaz Seipel iin vielen Zügen beobachtet werden kann, rollte die Sprachenfrage im allgemeinen und für Böhmen im besonderen von Seiten des Sittengesetzes auf. Er stellt Forderungen der moralischen Gerechtigkeit für die Verwendung der Sprache als „Zweck-Gut“ und als „Affeet-Gut“ in gemischtsprachigen Gegenden auf, bejaht weitgehend territoriale Sprachbegrenzung, verlangt aber darüber hinaus eine Staatssprache aus rein zweckbedingten Gründen, — für Österreich (und Böhmen) natürlich die deutsche als meistverbreitete Sprache. Frinds Ausführungen werden gezeigt auf dem Hintergrund der nationalen Auseinandersetzungen, die in Böhmen auf Grund der Badeni’schen Sprachenverordnungen eben vor sich gegangen waren (1897) und einen Sturm der Empörung bei den Deutschen hervorgerufen hatten. Die beiden letzten Aufsätze führen schließlich in die Zeit des ersten Weltkrieges. Paul R. Sweet behandelt die Beziehung der Mittelmächte zueinander im Hinblick auf die Frage eines mitteleuropäischen Staatenbundes. (Germany, Austria-Hungary and Mitteleuropa; August 1915—- April 1916). Neben den zahlreichen Memoirenwerken und Darstellungen, die es heute schon über jene Epoche gibt, verwendete der Autor Mikrofilme der Korrespondenz zwischen dem Reichskanzler Bethmann-Hohlweg und dem General von Falkenhayn, Chef des deutschen Generalstabes, die in Washington vorhanden sind.