Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

Dritter Österreichischer Archivtag am 22. September 1956 in Klagenfurt

400 Archivberichte 1. Zur Kärntner Diplomatik im Interregnum. Referent: Wirkl. Hofrat Dr. Hermann Wiessner (Klagenfurt). Die 17 Jahre zwischen dem Tode Herzog Ulrichs III. und der Belehnung des Grafen Meinhard von Tirol mit dem Herzogtum Kärnten zählen nicht nur politisch, sondern auch diplomatisch zu den bemerkenswertesten Epochen der Geschichte des Landes. Die Kärntner Diplomatik dieser Jahre ist ein getreues Spiegelbild dieser verworrenen Zeit. Zunächst liegt das Schwergewicht der historischen Ereignisse im Süden, in Friaul. Dort residiert der Vertreter der spanheimischen Legitimi­tät, Philipp, von Ottokars Gnaden Electus des Patriarchatus von Aquileja. Die 35 erhalten gebliebenen Originale unserer Zeitspanne, die auf die Person Philipps Bezug nehmen, spiegeln sein bewegtes Leben wider. Wir haben dabei zwei Kanzleien zu unterscheiden: die Aquilejer Patriarchatskanzlei und die persönliche Kanzlei Philipps. Als Vertreter der Patriarchatskanzlei begegnet uns der aquilejische Kanzler und Notar Johannes de Lupico, dessen Protokoll in der Marciana zu Venedig auf uns gekommen ist. Formal enthält es die typischen Notariatsurkunden. Neben den ausführlichen Notariatsinstrumenten enthält das Protokoll Aufzeichnungen in Regestenform. Ein weiterer Aquilejer Notar ist Heinricus de Artenio. Von den persönlichen Notaren Philipps lernen wir Martin und Rudolf kennen. Von diesem stammt auch zweifellos das Rationar vom Jänner 1273. Gerold ist der Verfasser und Schreiber des Philippschen Testamentes vom Jahre 1279, Frater des Predigerordens in Krems. An weiteren Notaren Philipps begegnen uns dem Namen nach Ulrich und Bernhard, ohne daß wir ihnen bestimmte Stücke zuweisen können. 25 Originale unserer Zeitspanne beziehen sich auf König Ottokar. Aus der Ottokarischen Kanzlei lernen wir Ulrich, den Magister und Protonotar, Pfarrer in Pyber, kennen. Von seiner Hand stammt das Villacher Original für Viktring vom 6. Dezember 1270 und die Urkunde vom 7. September 1272 für Studenitz. An weiteren königlichen Notaren begegnen uns ein Magister Philipp und ein Magister „Petrus, prepositus Wissegradensis“. Aus der Kanzlei Rudolfs von Habsburg, mit dem sich in unserer Zeitspanne 31 Siegelurkunden beschäftigen, ist vor allem der Maria-Saaler Propst Gottfried, in der Folge Propst von Passau und schließlich Bischof ebenda, zu nennen. Von seiner Hand stammt das zu Judenburg gegebene Original vom 13. Oktober 1279, vor allem aber die staatsrechtlich so wichtige Belehnungsurkunde der Königs­söhne vom 27. Dezember 1282 in Augsburg. Seine Stelle nimmt später Rudolf, in der Folge Erzbischof von Salzburg, ein. Von seiner Hand stammt zweifellos der Bericht vom 3. Feber 1281 über die Reise der Königstochter Clementia zu ihrem Bräutigam. An Bedeutung stehen hinter Gottfried und Rudolf der Hof- protonotar Andreas, Propst von Werden, und der Magister Heinricus de Clingen­berg zurück, welch letzterer in der Rheinfeldener Urkunde vom 1. Juni 1283 als Beurkunder begegnet Auf die Grafen von Görz-Tirol haben in unserer Zeitspanne 37 Original­urkunden Bezug. Als Notar des Grafen Albert von Görz lernen wir Ottolinus Justinopolitanus kennen, der die Urkunde über den Waffenstillstand zwischen den Grafen von Görz-Tirol und dem Kapitel von Aquileja vom 11. November 1269 ausfertigte und beglaubigte. Zusammen mit dem Aquilejer Notar Henricus de Artenio beglaubigte er auch das Notariatsinstrument vom 2. April 1271, mit dem der Streit zwischen Philipp und den vorgenannten Grafen beigelegt werden sollte. Dagegen sind die Ausfertigungen der Teilungsverträge zwischen der Tiroler und der Görzer Linie, entweder Albero, Pfarrer von Maling, oder Kon­rad, Pfarrer von Assling bei Lienz, zuzuschreiben. Ausgesprochen karg sind die Nachrichten über die Kanzleien der bedeutenden weltlichen Kärntner Geschlechter. Nur die Grafen von Heunburg haben über eine eigene ständige Kanzlei verfügt. Genannt werden „Engelprecht, unser offen- schreiber“ und ein Syfridus, nótárius noster. In den Urkunden der Grafen von Ortenburg und Sternberg bleiben wir hin­sichtlich der Schreiber der Urkunden völlig im Unklaren. Daß der mit der Inne- habung des Kapitaneates verbundene Schriftverkehr die Existenz einer Kanzlei

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