Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Bismarcks Haltung zum Vatikanum und der Beginn des Kulturkampfes nach den österreichischen diplomatischen Berichten aus Berlin 1869–1871

Bismarcks Haltung zum Vatikanum und der Beginn des Kulturkampfes 309 für Preußen eine bessere Stellung zu gewinnen; — macht man aber in Rom keinerlei Zugeständnisse, was er wohl am meisten hofft und glaubt, so erwartet er von den Schwierigkeiten, Zerwürfnissen und Spaltungen, welche daraus für die katholischen Regierungen und im Schoße der katholischen Kirche entstehen würden, schließlich nur Vortheile für die politische und kirchliche Machtsphäre des protestantischen Großstaates“. Daß Wimpffen diese zweifellos berechtigten Schlüsse Beust am glei­chen Tag mitteilte, an dem er ihm auch die deutliche Aufmunterung Bis­marcks zu österreichischen Aktionen in Rom 30) hatte berichten müssen, war wohl nicht Zufall. Offensichtlich wollte er seinen ehrgeizigen, für Schmeicheleien empfänglichen und leicht beeinflußbaren Chef davor war­nen, für Bismarck die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Denn selbst als man in Berlin auf Grund der Berichte Arnims aus Rom * 37) davon über­zeugt war, daß die Unfehlbarkeit mit großer Majorität zum Dogma er­hoben werde 38) und dieses Ereignis sogar schon für den 25. März erwar­tete39), hielt Bismarck äußerlich weiterhin an seiner betonten Nichtein­mischungspolitik fest40). Er sei jederzeit zum Ideenaustausch mit den katholischen Mächten bereit, ließ er Wimpffen mehrmals durch Thile sagen, aber seine Erwartungen setze er weiterhin auf die Einstimmigkeit des österreichisch-ungarischen Episkopats und die Wirksamkeit öster­reichisch-ungarischer Schritte 41). Daß Bismarck gerade in diesen Tagen unter Anwendung aller diplo­matischen Mittel darauf hinarbeitete, Beust zu einer auffälligen Inter­vention zu bewegen42), beweist seine Haltung zu den angeblich von Bayern ausgehenden Versuchen in dieser Richtung. Der österreichische Gesandte meldete am 15. März43), er erfahre eben, daß der neue bayri­sche Ministerpräsident, Graf Bray, in Berlin habe anfragen lassen, ob sich die preußische Regierung dem geplanten Schritt Frankreichs beim 30) Siehe oben S. 308. 3") Vor allem Arnims Bericht vom 4. März. Schmidt a.a.O. S. 341. 38) 15. März 1870. P.A. III, Kart. 101, Nr. 28 A—B. Erwähnt bei Schmidt a.a.O. S. 337 Anm. 5. 39) 19. März 1870. P.A. III, Kart. 101, Nr. 30 C. 40) Arnim mahnte er am 13. März neuerlich zur Zurückhaltung: „die Regie­rungen können nur gerade so weit gehen, wie die Bischöfe selbst“. G.W. VI b, Nr. 1527, und Rothfels a.a.O. S. 232. — Über die Unstimmigkeiten zwischen Bis­marck und Arnim hinsichtlich der in Rom zu betreibenden Politik vgl. auch Friedrich Engel-Janosi, Die österreichische diplomatische Berichterstattung über das Vatikanische Konzil, 1869—70, Mitteilungen des Instituts für österr. Ge­schichtsforschung 62, 1954, S. 599. 44) 15. III. und 19. III. 1870, P.A. III, Kart. 101, Nr. 28 A—B, 30 C. 42) Die Anregung dazu hatte Arnim in seinem Bericht vom 4. März gegeben. Sie war jedoch von Bismarck gegenüber Arnim und Werthern, dem preußischen Gesandten in München, wegen der innenpolitischen Schwierigkeiten Beusts als für derzeit „nicht angemessen“ erklärt worden. G.W. VI b, Nr. 1527 und 1528. «) 15. März 1870. P.A. III, Kart. 101, Nr. 28 A—B.

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