Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Bismarcks Haltung zum Vatikanum und der Beginn des Kulturkampfes nach den österreichischen diplomatischen Berichten aus Berlin 1869–1871

Bismarcks Haltung- zum Vatikanum und der Beginn des Kulturkampfes 307 Schritt einer protestantischen Macht wie Preußen könne in Rom leicht die beabsichtigte Wirkung verfehlen und erfolglos bleiben. Doch wünschte er lebhaft, daß die übrigen katholischen Mächte, vor allem Frankreich, dem österreichischen Beispiel folgen möchten. Gerade für Frankreich könnten derartige Konzilsbeschlüsse gefährlich werden, wenn durch sie zwischen der römischen und gallikanischen Richtung eine offene Spaltung entstünde. Die Regierungen des Norddeutschen Bundes dagegen brauchten nichts zu fürchten, obwohl auch die letzten Nach­richten aus Rom beunruhigend seien. Die freie Diskussion, die Bischof Stroßmayer „zu einer so glänzenden Rede Anlaß gab“ 26), werde in Kürze beschränkt werden. Weiters erzählte Bismarck vertraulich, daß sich die Bischöfe des Norddeutschen Bundes bereits an ihn gewendet hätten, um für den Fall, daß sie Rom verlassen sollten, seiner Hilfe und seines Schutzes gewiß zu sein. Beides habe er ihnen auch Zusagen lassen. Schließ­lich fragte er Wimpffen, ob ihm dieser seine Depesche aus Wien über­lassen könne. Da die Erfüllung dieses Wunsches den Instruktionen des Gesandten ausdrücklich widersprochen hätte27), zeigte Wimpffen Bis­marck mehrere Male die wichtigsten Stellen, damit dieser dem König genau Bericht erstatten könne. Wenige Tage später unterhielt sich der Kanzler mit Wimpffen neuerlich über das Konzil. Der österreichische Gesandte gewann den Ein­druck28), daß Bismarck daran und ganz besonders an Beusts Interven­tion lebhaften Anteil nahm. Der Kanzler habe auch den französischen Botschafter, Graf Benedetti, über die Haltung der französischen Regie­rung befragt29). Dieser habe ihm versichert, daß seit der Depesche des Fürsten Latour d’Auvergne 30) kein offizielles Schreiben an das Konzil gerichtet worden sei, was nach der Meinung Wimpffens den Wünschen Bismarcks nicht entspreche. Der Bundeskanzler habe deshalb die beson­dere Bedeutung des Briefes des Grafen Daru an Monsignore Mérődé betont, in dem die Drohung der Zurückziehung der französischen Trup­pen versteckt sei31)­Um so auffälliger ist nun die Pressepolitik Bismarcks im Zusammen­hang mit der Beustschen Depesche vom 10. Februar, über deren Inhalt 26) Siehe oben S. 305. 27) Er sollte Bismarck die Schriftstücke lesen lassen, diese selbst aber nicht aus den Händen geben. Weisung vom 17. II. 1870. P.A. III, Kart. 102. 28) 26. Februar 1870. P.A. III, Kart. 101, Nr. 20 C. 2») Benedetti hatte Wimpffen von diesem Gespräch erzählt und erklärt, er habe sich veranlaßt gesehen, nach Paris zu berichten, wie lebhaft sich Bismarck für das Konzil interessiere. Ebendort. 30) Vom 25. September 1869. Vgl. Granderath a.a.O. I, S. 377 f. 31) Es handelt sich um einen Privatbrief Darus an Monsignore Mérődé, einen Schwager Montalemberts, vom 5. Februar. Ein ähnlich lautender Brief Darus an den Generalvikar du Bois aus den letzten Tagen des Jänner enthielt den Satz: „Les troupes partirent immédiatement aprés la proclamation de l’infal- libilité“. Schmidt a.a.O. S. 334, Anm. 1. 20*

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