Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Bismarcks Haltung zum Vatikanum und der Beginn des Kulturkampfes nach den österreichischen diplomatischen Berichten aus Berlin 1869–1871
Bismarcks Haltung zum Vatikanum und der Beginn des Kulturkampfes nach den österreichischen diplomatischen Berichten aus Berlin 1869—1871. Von Erika Weinzierl-Fischer (Wien). Der einzige Versuch einer europäischen Regierung, schon vor Beginn des Vatikanischen Konzils eine gemeinsame diplomatische Aktion der Mächte gegen dessen zu erwartende Beschlüsse zustande zu bringen, ging bekanntlich von Bayern aus1)- Der bayrische Ministerpräsident Fürst Hohenlohe hatte am 9. April 1869 in seiner fast zur Gänze von Ignaz von Döllinger verfaßten Zirkular-Depesche an die europäischen Kabinette den Antrag gestellt, in Rom einen vorbeugenden Protest gegen jene Beschlüsse einzulegen, „welche einseitig, ohne Zuziehung der Vertreter der Staatsgewalt, ohne jede vorhergehende Mitteilung über staatskirchliche Fragen oder Gegenstände gemischter Natur von dem Konzilium gefaßt werden möchten“ 2). Der bayrische Gesandte in Berlin, Baron Perglas, teilte noch im April seinem österreichischen Kollegen Graf Wimpffen 3) vertraulich den Inhalt dieser Depesche mit. Er fügte hinzu, daß sich Bismarck zwar grundsätzlich mit den Anschauungen Hohenlohes vollkommen einverstanden erklärt, es aber vermieden habe, ohne die Entscheidung des Königs darüber ein bestimmtes Urteil abzugeben. Graf Wimpffen berichtete dieses Gespräch seinem Chef, dem österreichisch-ungarischen Außenminister Grafen Beust, am 24. April und bemerkte, daß Bis!) Der französische Staatsminister Rouher hatte in seiner Note vom 1. März 1869 ein gemeinsames Vorgehen Frankreichs, Italiens und Österreichs anläßlich des bevorstehenden Konzils bloß als eine mögliche Nebenfrucht der Allianz gegen Preußen erwähnt. Friedrich Engel-Janosi, Zwei Aspekte der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und dem Vatikan im Jahre 1870, Festschrift für Heinrich Benedikt, Wien 1957, S. 120. 2) Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 1, Stuttgart-Leipzig 1906, S. 352. s) Felix Graf Wimpffen (geh. 1827) war vom Oktober 1866 bis Mai 1872 kaiserlicher Gesandter in Berlin. 1867 hatte er sich in Dresden mit der Gräfin Lynar, einer Lieblingshofdame der nachmaligen Kaiserin Augusta, vermählt. Durch sie besaß er Zugang zu den Bismarck feindlichen Hofkreisen. Als Botschafter in Paris beging Wimpffen 1883 Selbstmord. Administrative Registratur F 4, Karton 379, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, und Constant von Wurzbach, Biographisches Lexicon des Kaiserthums Österreich 56, 1888, S. 246 f.