Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
WAGNER, Hans: Das Reisejournal des Grafen Seckendorff vom 15. Juli bis zum 26. August 1730
Das Reisejournal des Grafen Seckendorff vom 15. Juli bis zum 26. August 1730 197 liehen paradeplatz erschienen, sich ihnen genähert, umb eine stunde zur audienz angehalten und vermeldet, daß der nach Engelland geschickt ge- weßene legationssecretarius Geudicke 10) von da zuruck kommen und weilen Hotham auf eine kurtze zeit nach Engelland zu gehen die erlaubnis erhalten, so wäre dießer legationssecretarius accreditiret, in seiner abweßen die englische affairen wahrzunehmen. Er, der könig, hätte aus dem von Hotham angehabten gantz neuen verchamarirten kleid nicht anders geur- theilet, er müßte ordre erhalten haben, umb die ältiste königliche prinzeßin in form anzuhalten11), und dem Hotham gesaget, er mögte nur mit dem legationssecretario oben in seine antichambre gehen und seiner allda er- warthen. Nach geendigter parade gegen 11 uhr früh wäre er, der könig, in sein gemach kommen und hätte den Hotham nebst dem legationssecretario Geudiske hinein kommen laßen. Da Hotham gegen ihn gedacht, wie ihro königliche mayestet von Großbrittanien die von ihm, dem könig, im chursächsischen laager ertheilte resolution wegen der doppelten heyrath etwas hart gefunden, jedoch geneigt wären, die zwischen der cronprinzeßin und dem printz de Galles sogleich zu schließen, wann anders ihro königliche mayestet von Preußen gefällig wäre, die zeit des zur verheyrathung dero cronprintzens gesezten termins zu verkürtzen und sich anbey nun sogleich zum voraus anheischig zu machen, den cronprintzen an keine andere als eine englische prinzeßin zu vermählen. Er, der könig, hätte hierauff ge- antworthet, daß er wie allezeit die heyrath des printz de Galles mit seiner ältisten prinzeßin sich vor eine ehre schäzete, seinen cronprintzen aber absolute nicht eher vermählen könnte noch würde, als bis er erst beßer die weit gesehen und mehrere jahre erreicht, bäte aber den Hotham, er möchte ihm seinen antrag schrifftlich geben, da er ihm die resolution ebenfalls auf solche weiße ertheilen wollte. Hotham hätte sich entschuldiget, daß er befehl, die heyrathssache nicht schrifftlich, sondern mit ihro königlicher mayestet selbst persönlich und zwar mündlich zu tractiren, ersuchete dahero ihro königliche mayestet, sich ohne anstand dergestalt zu erklären, daß er mit einer gewünschten antworth nach Engelland gehen und bey seiner zuruckkunfft alles zumstande kommen könte; indeß er nochmahls den legationssecretarium Geudicke an ihro königliche mayestet praesentiret zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 9 (1896), S. 36—42, gedruckt. In allen Einzelheiten sei auf diese Arbeit, die den endgültigen Fehlschlag der preußisch-englischen Heiratspläne erschöpfend, wenn auch einseitig, behandelt, verwiesen. ») Sir Charles Hotham hatte sich speziell wegen der Heiratsverhandlungen seit April als englischer Gesandter in Berlin aufgehalten. jo) Kapitän Melchior Guy-Dickens, englischer Gesandtschaftssekretär und Geschäftsträger in Berlin, hat bei den Fluchtplänen des Kronprinzen eine größere Rolle gespielt. 11) Große Korrespondenz, Fasz. 112 b, fol. 87': „umb die ältiste prinzeßin tochter solenniter anzuhalten“ (eigenhändige Verbesserung Seckendorffs, vgl. die Einleitung S. 188 und Anm. 10).