Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
WAGNER, Hans: Das Reisejournal des Grafen Seckendorff vom 15. Juli bis zum 26. August 1730
196 Hans Wagner Obwohlen der general Hopfgarten nebst dem general Seckendorff ihro hoheit die mittagsmahlzeit in Leipzig einzunehmen ersuchet, so entschuldigten sie sich doch mit dem königlichen befehl, der sie dahin anwieße, den weeg ohne auffenthalt bis Meuselwiz fortzusetzen, welches auch dergestalt geschähe, daß sie nachmittags gegen 2 uhr in letztbenannten orth eingetroffen. Die anderen officiers und bediente von der königlichen suite folgten stundenweiß alle hernach und hielten sich nirgends auf, weil ihnen insgesamt die ordre gegeben war, ihro königlichen mayestet ankunfft in Meuselwiz abzuwarthen. Gegen 3 uhr nachmittags kam der auf die erste station zwischen Leipzig und Torgau mit einem schreiben an den obristen Derschau 5 6 *) — als welcher allein in des königs chaise mitsaß — vom general Seckendorff abgefertigte postilion mit der mündlichen nachricht zurück, daß ihro königliche mayestet sich in Leipzig gar nicht aufhalten, sondern dero reiße bis Meuselwiz, ohne die am ersten orth bestellte und fertige mahlzeit einzunehmen, continuiren würden. Dahero der general Seckendorff ohne die ankunfft des königs zu erwarthen sich zurück nach Meuselwiz begeben, umb bey dero arrivirung das eßen sogleich parat zu haben. Ihro mayestet sind auch kurtz nach des general Seckendorff abreiß in Leipzig ankommen und, ob sie wohl bey dem generalmajor Hopf garten die mahlzeit depreciret, doch nach dem Apeli- schen garthen daselbst gefahren, in hoffnung, wie dieselbe selbst nach der hand gesaget, orangebäume zum verkauff darin zu finden. Abends nach 6 uhr langte der könig in Meuselwiz an und als selbiger den general Seckendorff im vorhoff erblicket, winkete er dießem sehr gnädig zu und verlangte auch bey dem absteigen, daß der general Seckendorff ihn küßen musté. Ihro mayestet retirirten sich sogleich nach dero gemach, umb von dem staub sich zu befreyen, befahlen aber unverzüglich die speißen aufzutragen, welche auch, sobald der könig wieder zum Vorschein kommen, auf der taffel in dem an garthen stoßenden sallet parat stunden. Allein ihro königliche mayestet rufften den generalfeldzeugmeister graff Seckendorff apart, gingen mit ihm in garthen und sagten, sie könnten nicht ruhig eßen, bis sie nicht vorhero alles an ihn gesaget, was zeit seiner abweßen- heit~) in Berlin vorgefallen. Worauff ihro mayestet mit vielen umständen erzehlet8), wie Hotham9) vergangenen Sontag auf den Berliner gewöhn5) Friedrich Wilhelm von Rochow, Oberstleutnant im Kürassierregiment von Katte (Nr. 9), war seit 17. III. 1729 dem Kronprinzen als Aufseher und Erzieher beigegeben. s) Christian Reinhold von Derschau, Erzieher des Kronprinzen, gest. 1742 als Generalmajor. 7) Seckendorff hatte sich schon Ende Juni vom Lager von Zaithain nach seinem Gut Meuselwitz begeben. 8) Die folgende Erzählung des Königs von den Vorgängen in Berlin, die hier nur wegen der Vollständigkeit und zur Verdeutlichung des Vertrauens Friedrich Wilhelms in Seckendorff gebracht werden, wurden bei Wilhelm O n c k e n, Sir Charles Hotham und Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1730, in den Forschungen