Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
WAGNER, Hans: Das Reisejournal des Grafen Seckendorff vom 15. Juli bis zum 26. August 1730
Das Reisejournal des Grafen Seckendorff vom 15. Juli bis zum 26. August 1730 195 König31)- Für das Vorgehen des Königs findet er kein Wort des Tadels, während selbst die Offiziere der Reisebegleitung und auch der alte Dessauer in Halle versucht haben, den zum Staatsverbrechen erklärten Fluchtversuch als Kinderei hinzustellen. So hat Seckendorff zwar die englischen Intrigen vereitelt und damit der augenblicklichen kaiserlichen Politik einen großen Dienst erwiesen. Er hat aber nicht bedacht, daß die beispiellos harte Erziehung und die Prüfungen, die der Kronprinz im Zusammenhang mit der Heiratsintrige ertragen mußte, auch beispiellose Folgen in der Charakterbildung des jungen Monarchen haben würden, die sich später verhängnisvoll für das Kaiserhaus und das Reich ausgewirkt haben. Text des Seckendorf f’schen Reise journals1). Journal vom 15. July 173 0. Da ihro königliche mayestet von Preußen dero reiße nach Anspach über Leipzig nach Meuselwiz zu nehmen und selbige den 15. dießes aus Potsdam anzutretten resolviret waren, so achtete der generalfeldzeugmeister graff von Seckendorff seiner Schuldigkeit zu seyn, ihro mayestet von Meuselwiz bis Leipzig entgegen zu gehen, um so mehr, da sie dem commendanten des schloßes Pleissenburg in Leipzig, dem chursächsischen generalmajor von Hopfgarten2) die hoffnung gemachet hatten, das mittagsmahl bey ihm einzunehmen. Des königlich preußischen cronprintzen hoheit langeten gegen 11 uhr früh in offtbesag- tem Leipzig an und hatten bey sich in dero chaise sitzen den general Bodenbruck3), den obristen Waldau4) und obristlieutenant Rochau5). 31) Bericht Seckendorffs vom 16. August aus Wesel an den Prinzen Eugen: „Meine gröste besorgniß ist nun des königs gesundheit, maßen ihro königl. Mt. sich dießen Zufall so zu hertzen ziehen, daß sie leicht zu einer kranckheit darüber verfallen könnten“ (Große Korrespondenz, Fasz. 105 b, fol. 132''). 1) Der Text wurde zur Erhaltung der Ursprünglichkeit bis auf die Groß- und Kleinschreibung unverändert wiedergegeben. Diese mußte wegen der starken Unregelmäßigkeit und der großen Zahl der Fremdwörter, die nicht wie im Original kursiv wiedergegeben werden konnten, vereinheitlicht werden. Die Personenerklärungen in den Fußnoten beruhen zum Großteil auf Nachschlagewerken, wie Zediers Universallexikon, Hübners genealogische Tafeln, die Allgemeine Deutsche Biographie, die Feldzüge des Prinzen Eugen und andere. Besonders wertvoll erwiesen sich dabei O. K r a u s k e, Die Briefe König Friedrich Wilhelms I. an den Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau 1704—1740, Berlin 1905 (Ergänzungsband der Acta Borussica), und das Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden, Band II, hrsg. von Friedrich Hausmann, Wien 1950. 2) Georg Friedrich von Hopfgarten auf Mülvenstädt und Laucha, kgl. polnischer und kursächsischer Generalmajor und Kommandant der Festung Pleissenburg, gest. am 8. I. 1731. 3) Generalmajor Wilhelm Dietrich von Buddenbrock, Chef des preußischen Kürassierregiments Nr. 1, später Feldmarschall und Gouverneur von Schlesien, geb. 1672, gest. 1757. 4) Anton Christoph von Waldow, Chef des preußischen Kürassierregiments Nr. 12, geb. 1672, gest. 1743 an den Folgen seiner Verwundung bei Chotusitz. 13*