Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
BLAAS, Richard: Das Kardinalprotektorat der deutschen und der österreichischen Nation im 18. und 19. Jahrhundert
Das Kardinalprotektorat der deutschen und der österr. Nation im 18. u. 19. Jh. 151 Politik sich immer mehr von Rom weg in die Hauptstädte der Großmächte verschob und diese nun ihrerseits in Rom nicht nur mehr durch einen Protektor oder Komprotektor und gelegentliche Sondergesandtschaften vertreten waren, sondern durch eine dauernde und fest ausgebildete diplomatische Vertretung ihre Interessen wahrnehmen ließen, in diesem Augenblick trat natürlich auch in der Wertung der Stellung der Länderprotektorate eine Änderung ein. Das Kardinalprotektorat verlor zugunsten der diplomatischen Missionen seinen realpolitischen Wert, behielt aber seinen ideellen und war als Titel und Rangerhöhung nach wie vor sehr begehrt. Es verlieh dem Träger dieses Amtes außer gewissen bescheidenen Einkünften aus den Taxgebühren der von ihm im Konsistorium proponierten Bischöfe und Äbte gewisse Vorrechte zeremonieller Natur und eine Rangerhöhung, beides Dinge, denen in der damaligen Zeit natürlich ein ganz anderer Wert beigemessen wurde, als wir es heute tun. Das Kardinalprotektorat und Kom- protektorat war deshalb eben infolge seines diplomatischen Charakters — diese Feststellung wird vor allem in Hinsicht auf das Protektorat der deutschen Nation und dem der österreichischen Erblande getroffen—häufig in Personalunion mit dem Amte eines „Minister plenipotentiarius“ verbunden, wodurch es wieder nun auch seinerseits erst richtig zur Geltung kam. Diese Verbindung zwischen Protektorat und Gesandtschaft war zu Ende des 17. Jh. und zu Anfang des 18. Jh. bereits eine so enge, daß in der Anschauung der Zeitgenossen Protektor und Gesandter völlig identifiziert wurden 12). Je mehr sich aber die Bedeutung der diplomatischen Vertreter, die sehr häufig — im 18. Jh. für das Reich und die Erblande fast ausschließlich — Kardinäle oder hohe geistliche Würdenträger waren, hob, desto mehr verlor das Länderprotektorat an funktioneller Bedeutung, so daß es bereits in der Mitte des 18. Jh. als reines Ehrenamt und Sinecure angesehen wurde13), denn die Proponierung der neuernannten Bischöfe und Reichsäbte im Konsistorium, die einzige noch verbliebene Aufgabe des Kardinalprotektors und Komprotektors, konnte natürlich ebensogut einem anderen Kardinal übertragen werden14). tigen Titel eines Protektors, oder wenn ihrer zween waren, eines Comprotectors von Königreichen und ganzen Nationen angenommen haben.“ Staatskanzlei, Vorträge, Fasz. 197, Vortrag vom 26. Dez. 1779. 13) Wie sehr zu Beginn des 18. Jh. bereits Kardinalprotektor und Gesandter gleichgesetzt wurden, zeigt am deutlichsten das Stichwort „Cardinal Protettore“ in dem großen zeitgenössischen Universal-Lexikon von Zedier: „Cardinal-Protet- tore ist der vornehmste Cardinal der Teutschen, Spanischen, Frantzösischen und andern Nationen, welcher die Direction über die Staatsgeschäfte selbigen Landes an dem päpstlichen Hoffe führet“. Großes vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, V. Bd. C—Ch., Spalte 806, hrsg. von Zedier, Leipzig 1733. 13) Vgl. Schreiben des Reichsvizekanzlers über die Neubesetzung des Reichsprotektorates 1758 in St. K. Rom, Varia, Fasz. 65. 14) „Diró inoltre che ogni Cardinale Protettore ancorché si trovi in questa Corte, se per qualche accidente non puó intervenire ai Concistori, ha in se piena