Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
BLAAS, Richard: Das Kardinalprotektorat der deutschen und der österreichischen Nation im 18. und 19. Jahrhundert
150 Richard Blaas kundig zu Tage in der Art ihrer Bestellung. Der Kardinalprotektor wird ganz ähnlich wie der diplomatische Vertreter durch Ausfertigung von „Litterae patentes“ ernannt und durch Übergabe eines Beglaubigungsschreibens beim päpstlichen Hofe in sein Amt eingeführt. Die Kardinalprotektoren konnten im 16. Jh. im Falle ihrer Abwesenheit aus Rom oder bei sonstiger Behinderung in der Ausübung ihres Amtes sich selbst einen Stellvertreter bestimmen, der den Titel Vizeprotektor führte. Nachdem aber die katholischen Höfe die Prärogative der Ernennung eines Kardinalprotektors immer entschiedener wahrnahmen und dieses ehrenvolle Amt nicht selten als besondere Auszeichnung einem ihrer Kronkardinäle übertrugen, der gar nicht in Rom residierte, vollzog sich auch in der Wertung der Stellvertretung ein Bedeutungswandel. Während der Vizeprotektor vom Protektor selbst für die tatsächliche Amtsvertretung ernannt worden war, wird der nunmehr in den Zwanzigerjahren des 17. Jh. für den nicht in Rom residierenden Protektor ernannte Komprotektor, wie diese ständige Vertretung nunmehr genannt wird, von den betreffenden Regierungen ernannt und gleich wie der Protektor mit einem eigenen Beglaubigungsschreiben in sein Amt eingeführt. Die Funktionen des früheren Vizeprotektors gehen nun auf den sogenannten Protector substitutus über9). Der Komprotektor rückt rangmäßig an den Protektor heran mit dem Unterschied allerdings, daß der Protektor in der Folgezeit häufig nicht mehr in Rom residiert und daher dieses Amt als reines Ehrenamt inne hat, während der in Rom anwesende Komprotektor die eigentlichen Geschäfte führt und auch die mit dem Amte verbundenen Propinen oder Taxanteile aus den von ihm proponierten Ernennungen für Bistümer und Klöster bezieht. Zur Erledigung ihrer Geschäfte hatten die Protektoren einen eigenen Auditor 10). Es liegt auf der Hand, daß diese dem Charakter einer diplomatischen Mission entsprechende Funktion des Länderprotektorates nur solange ihren funktionellen Wert behielt, solange es noch keine Form der durchgebildeten ständigen diplomatischen Vertretung der einzelnen katholischen Höfe bei der römischen Kurie gab 11). Als aber der Schwerpunkt der europäischen 9) Ebenda S. 47, Anm. 3. 10) Die Stellung dieses beim Reichsprotektor beamteten kaiserlichen Auditors ist wohl zu unterscheiden von dem Amte des kaiserlichen Auditors bei der Sacra Rota Romana. Über die Bedeutung dieses letzteren Amtes ist eine ausführlichere Arbeit in Vorbereitung. 11) Diese Auffassung findet auch ihre ganz eindeutige Bestätigung in einem Vortrag des Fürsten Kaunitz, in dem er über die Bedeutung des Protektorates im allgemeinen spricht und über die Entstehung dieser Institution sich folgendermaßen äußert: „Dieser Brauch kommt aus den älteren Zeiten, da die Höfe keine eigenen Gesandten zu Rom, oder doch nicht für beständig hielten, die Kardinäle aber ihre Würde damals für zu sehr erhaben achteten, als daß sie die Besorgung der Geschäfte eines auch königlichen Hofes in der Eigenschaft eines bevollmächtigten Ministers bey dem päpstlichen führen könnten, daher sie den präch-