Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Zur Geschichte der vormärzlichen Zensur in Österreich

Die amtlichen Verbotslisten 181 destoweniger wurde Sedlnitzky ersucht, jede Drucklegung zu verhüten85). Daß Bilder des Herzogs von Reichstadt und des Erzherzogs Karl (mit Napoleon) nicht erlaubt wurden, geht sicherlich auf das Bestreben zurück, den Napoleonkult zu beschränken, weshalb auch in unseren Listen solche Verbote, besonders von Bildern in ungemein großer Zahl zu finden sind86). Philosophen finden wir in den Listen sehr selten. Von den fremden wurde Spinoza bereits erwähnt. Rousseaus „Bekenntnisse“ (43 VI/i, 233) von Wigand in seiner Buchreihe „Französische Klassiker“ 1843 in deutscher Sprache in Leipzig herausgebracht, erhielten damnatur. D i d e- r o t, Grundgesetz der Natur, Leipzig 1846 (46 VI/i, 90), das E. M. A r n d t, mit eigenen Zusätzen versehen, herausgab, wurde ebenso beurteilt, des­gleichen die Schrift von Dr. J. Frauenstädt, Schellings Vorlesungen in Berlin, Darstellung und Kritik derselben, Berlin 1842 (42 XI/a, 254), wobei es unentschieden bleiben muß, ob es wegen des Denkers oder wegen des Kritikers geschah. Fichte, Sämmtliche Werke, von seinem Sohne in Ber­lin herausgegeben, sind mehrfach vertreten; davon waren einzelne Bände, wie wir bereits hörten, sogar bloß mit transeat beschränkt worden. Hin­gegen wurde die Neuauflage der 1793 erstmalig erschienenen Schrift „Bei­trag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution“, Theil 1, Bern 1844 (44 x/i, 172) verboten; bekanntlich ist Fichte für die Rechtmäßigkeit der Umwälzung eingetreten87). Die religiösen Auseinandersetzungen dieses Zeitalters, die sich letztlich mit den politischen Bestrebungen vermengten, der Aufschwung der Naturwissenschaften und der geschichtlichen Forschungen und die von ihnen entwickelten Forschungsmethoden, die nunmehr auf das religions­85) Manuskript 37 n/i, 487 u. St.-A., Staatskanzlei, Polizeikorrespondenz, Faszikel 20 (Archivzahl 272). — Michael Zarcovich, pel giorno natalizio di Sua Maestä Imperatore e Re Ferdinando 1. Discorso academico, mußte jede Be­rufung auf das Namensfest des Kaisers (nicht Franz!) unterlassen, wurde sonst nur ad usus privatos erlaubt (37 IV/i> 493 r), vgl. Marx, Die Zensur d. Kanzl. Mett., S. 183 (von der Staatskanzlei nicht richtig zitiert). — Eine Medaille auf Metternich als Beschützer der schönen Künste (41 vII/2, 305), eine andere auf das Kaiserpaar (39 IX/i, 390 u. r), sowie zwei Volkshymnen (44 XH/2, 163) wur­den nicht erlaubt, desgleichen ein Artikel für die Wiener Zeitung zum 25jähr. Dienstjubiläum des Bregenzer Kreishauptmannes (47 IX/2, 26 r). — 86) Marx, a. a. 0„ S. 196 ff. 87) Vgl. Anm. 77 u. Textseiten 158 u. 177. — Fichtes „Werke“ : 45 VII/i» x/i> 136 r, 124 r; 46 l/i, VI/1( 112, 90 r. Herausgeber: Immanuel Hermann Fichte. —- Johann Gottlieb Fichte, geb. 19. 5. 1762 in Rammenau, gest. 27. 1. 1814 in Berlin. — Friedr. Wilh. Josef v. Schelling, geb. 27. 1. 1775 zu Leonberg, gest. 20. 8. 1854 in Bad Ragaz, Schweiz. — Ernst Moritz Arndt, der bekannte Dichter der Befreiungskriege, geb. 26. 12. 1769 in Schoritz auf Rügen, gest. 29.1. 1860 in Bonn. — Dr. Christ. Mart. Julius Frauenstädt, geb. 17. 4. 1813 in Bojanowo, Posen, gest. 13. 1. 1879 in Berlin; philosoph. Schriftsteller, der durch sein Eintreten für Schopenhauer am bekanntesten geworden ist. —

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