Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Zur Geschichte der vormärzlichen Zensur in Österreich

182 Julius Marx wissenschaftliche Gebiet angewendet wurden, haben eine unglaubliche Schriftflut hervorgerufen, der wir uns zum Abschluß zuwenden wollen. Zunächst sei nochmals auf die hermesianische Streitfrage, die Kölner Wirren und auf die jüdischen Bestrebungen hingewiesen, die schon ander­wärts behandelt worden sind88). Die religionsphilosophischen Werke, die damals so viel Staub aufwirbelten, und sehr nachhaltigen Einfluß aus­übten, finden wir gleichfalls in unseren Listen. Das „Leben Jesu“ von David Friedrich Strauß, das 1835 erschienen war und 1840 bereits seine 4. Auflage erlebte, ist nur in einer Bearbeitung (40 I/i, 371 r; damn.) vor­handen. Dagegen ist von den drei Heften der „Streitschriften zur Verthei- digung meiner Schrift über das Leben Jesu und zur ^Charakteristik der gegenwärtigen Theologie“, Tübingen 1837, die er als Antwort auf die zahl­reichen Gegenschriften verfaßte, das erste mit erga schedam (37 v/2, 500) beurteilt worden. Das gleiche Dezisum erhielt die Schrift von Ludwig Andreas Feuerbach, „Über Philosophie und Christenthum in Beziehung auf den der Hegelschen Philosophie gemachten Vorwurf der Unchristlich­keit“, Mannheim 1839 (40 r/i, 372). Verboten wurde hingegen „Das Wesen des Christenthums“, Leipzig 1841 (41 VI/2, 310) und „Das Wesen des Glau­bens im Sinne Luthers“, Leipzig 1844 (44 VII/i, 184) sowie das Werk seines jüngeren Bruders Friedrich Feuerbach, „Die Keligion der Zukunft“, Zürich und Winterthur 1843 (43 IX/i, 221) 89). In Österreich war die Zurück- drängung des Josefinismus im Gange. Dem Priesterphilosophen Bernard Bolzano, der die josefinischen Auffassungen über die religiösen Belange in ein System brachte, zog seine Einstellung gegen Frint, den Beichtvater des Kaisers, eine Untersuchung zu; doch verlief der langwierige Prozeß völlig im Sande90). Zwei Schriften, die sich mit diesen Angelegenheiten befassen, wurden verboten: „Lebensbeschreibung des Dr. B. Bolzano mit einigen seiner ungedruckten Aufsätze“, Sulzbach 1836 (36 x/2, 540 r) und „Dr. B. Bolzano oder authentische Geschichte eines Falles des in der katholischen Kirche üblichen Rechtsverfahrens“ 91)­88) Marx, a. a. O., S. 218 ff. — Glossy, a. a. O., I., S. 307, 313, 365 f.; II., S. 1 ff., 75 u. a. — Vgl. Textseite 168 f. 89) Strauß, geb. 27. 1. 1808 zu Ludwigsburg, hier gest. 8. 2. 1874. 1848 in den Württemberg. Landtag gewählt, verhielt er sich so konservativ, daß ihn ein Mißtrauenvotum seiner Wähler zum Rücktritt zwang. — L. A. Feuerbach, geb. 28. 7. 1804 in Landshut, gest. 13. 9. 1872 bei Nürnberg. — Fr. Feuer­bach, geb. 29. 9. 1806 in Landshut, gest. 24. 1. 1880 in Nürnberg. — Glossy, a. a. O., enthält zahlreiche Hinweise auf sie, ebenso Keller, a. a. O.; vgl. 5. 58, 112. — 90) E. Winter, Der Josefinismus und seine Geschichte, Brünn—München- Wien 1943; S. 276 ff., 336 ff. (hier weitere Literaturangaben). — 91) Die letztere Schrift war „Aus den freimüthigen Blättern über Theologie und Kirchenthum“ besonders abgedruckt: Stuttgart 1837 (37 VIII/i> 469). — Erga schedam erhielten: D r. B. Bolzano, Athanasia. 2. Ausg., 1838 (39 1/2, 474 r); „Dr. Bolzano und seine Gegner. Ein Beitrag zur neuesten Literatur­geschichte; 1839“ (39 VI/2, 405 r); „Dr. B. Bolzanos Erbauungsreden an die

Next

/
Thumbnails
Contents