Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WANDRUSZKA, Adam: Aus Ignaz Seipels letzten Lebensjahren. Unveröffentlichte Briefe aus den Jahren 1931 und 1932

Aus Ignaz Seipels letzten Lebensjahren. Unveröffentlichte Briefe aus den Jahren 1931 und 1932. Von Adam Wandruszka (Wien). Einleitung. Die hier publizierten Briefe des österreichischen Staatsmannes Ignaz Seipel l) an Dr. Friedrich Nelböck (damals Brünn) wurden mir von dem Adressaten in dankenswerter Weise zur freien Veröffentlichung übergeben. Dr. Nelböck hat die Briefe 1945, als er Brünn verlassen mußte, nach Wien mitgenommen. Ich habe aus den die Zeit vom 13. Februar 1930 bis 26. Mai 1932 umfassenden Briefen jene ausgewählt, die für die Erkenntnis von Seipels Ideen und Charakter bedeutungsvoll erscheinen, während etwa die Briefe aus dem Jahre 1930, die nur persönliche Mitteilungen und Grüße enthalten, nicht wiedergegeben werden. Der Briefwechsel der beiden Männer, die einander bereits 1919 begeg­net waren, begann im Zusammenhang mit einem Vortrag Seipels in Brünn über „Etappen auf dem Wege nach Europa“ auf Einladung der Paneuro- päischen Union, am 28. März 1930. Dr. Nelböck, der Vorstandsmitglied und später Vorsitzender der deutschen Völkerbundliga in der Tschechoslowakei war, übersandte Seipel sein Buch „Kleine Beiträge zum Kampf um Völker­bund, Paneuropa und Mitteleuropa“ (Brünn 1930), machte ihn auf ver­schiedene Neuerscheinungen aufmerksam und sandte ihm von seinen Reisen Berichte über seine politischen Gespräche und Eindrücke, sowie Zeitungs­ausschnitte. Unter den Briefen Seipels sind die vom 22. Mai und 6. Juni 1931, die sich mit dem Zollunionsprojekt2) befassen, die inhaltsreichsten. Die darin von Seipel eingenommene Haltung zu dem Projekt (grundsätzliche Billigung des Gedankens bei scharfer Kritik an Zeitpunkt und Modalitäten der „Ein­1) Über Seipel zuletzt August M. Knoll, Ignaz Seipel, in: Neue Österreichi­sche Biographie, Bd. IX, Wien 1956, S. 113 ff., dort auch die weitere Literatur. Über die Bedeutung der „Stärke“ in Seipels politischen Anschauungen, die auch in diesen Briefen sehr deutlich hervortritt, vgl. meinen Versuch einer Charakte­risierung Seipels in: Geschichte der Republik Österreich, hg. v. H. Benedikt, Wien 1954, S. 322—336 und in: „Die Presse“ vom 19. Juli 1956 („Seipels Ver­mächtnis“ ). 2) Über das Zollunionsprojekt: Ludwig Curtius, Bemühung um Österreich, Heidelberg 1947; O. Hauser, Der Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion von 1931 und die europäische Föderation, H.Z., 1955, S. 45 ff.; Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Stuttgart 1955, S. 398 ff.

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