Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)
WAGNER, Hans: Die Briefsammlung Gauchez
594 Literaturberichte langer Hand vorbereitet hat und wendet sich mit Nachdruck gegen die Legende, daß Andrássy gegen Beust ein Eingreifen Österreichs verhindert habe. Bei der Entstehung des Bismarckschen Bündnissystems wird die Balkanfrage gebührend hervorgehoben. T. meint, daß der Berliner Kongreß zwar eine Niederlage Rußlands, aber keinen vollen Erfolg Österreich-Ungarns bedeutete. Bei der Entstehung des Zweibundes werden (S. 259) die innenpolitischen Motive des deutschen Reichskanzlers wohl überschätzt. Für die Erweiterung zum Dreibund waren auch Sorgen vor den russischen Pan- slavisten mitbestimmend. Eine glänzende zusammenfassende Analyse der Bündnispolitik Bismarcks bietet TV auf S. 279 f. Allerdings bezeichnet bereits am Ende der bulgarischen Krise 1887 der Abschluß des deutschrussischen Rückversicherungsvertrages den bevorstehenden Zusammenbruch der Bismarckschen Friedensordnung. In der Darstellung der Weltpolitik um die Jahrhundertwende kommen immer mehr auch die außereuropäischen Fragen und damit der — freilich maßvolle — englische Standpunkt des Autors zum Vorschein. Die Schilderung der Vorgänge am Balkan verliert dabei gegenüber früheren Abschnitten an Kraft. Die Annexionskrise wird ungenügend behandelt, von der Räumung des Sandschaks durch Österreich-Ungarn erfahren wir erst beim ersten Balkankrieg (S. 490) in einem kurzen Nebensatz. Auch was der Verf. über den Ausbruch des Krieges 1914 schreibt, kann nicht ganz befriedigen. Den Kriegseintritt Italiens 1915 hält T. mit Recht für keinen großen Gewinn der Alliierten, da er sie daran hinderte, Österreich-Ungarn durch einen Separatfrieden von ihrem Hauptfeind Italien zu trennen. Die Darstellung schließt mit einem kurzen Ausblick auf die Vorgänge des Jahres 1918, das als Epochenjahr, in dem die zentrale welthistorische Stellung Europas ein Ende findet, noch ausführlicher im folgenden Band, der Wheeler-Bennett zum Verfasser haben soll, behandelt wird. Ein bibliographischer Abschnitt mit vorzüglichen Ausführungen über Farbbücher und Akteneditionen, auf die sich T. erfreulicherweise in den Anmerkungen hauptsächlich stützt, sowie ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und ein ausgezeichnetes Register erhöhen die Brauchbarkeit dieses Handbuches. Auch die beigegebenen Karten erweisen sich als sehr nützlich. Darüber hinaus besitzt das Werk auch einen hohen wissenschaftlichen Wert. Es bringt neue Gesichtspunkte und weist auf manche noch nicht untersuchte Zusammenhänge hin. Sein genaues Studium ist den Historikern auch auf dem Kontinent sehr zu empfehlen. Rudolf Neck (Wien.) Carlgren W. M., Iswolsky und Aehren+hai vo- der bosnischen Annexionskrise. Russische und österreichisch-ungarische Balkanpolitik 1906—1908. Almquist & Wiksells Boktryckeri ab Uppsala 1955. XII und 334 S., mit 2 Abb. und einer Karte. Bei der Bedeutung, die der bosnischen Annexionskrise für die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges zukommt, ist es nicht verwunderlich, daß sich die historische Forschung schon frühzeitig mit der Politik Iswolskys und Aehrenthals in den kritischen Monaten 1908/1909 beschäftigt