Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WAGNER, Hans: Die Briefsammlung Gauchez

592 Literaturberichte Das Schwergewicht der Darstellung beruht auf der zweiten Epoche (1914—1918, Kap. VI—XI), für die wichtige neue Ergebnisse zutage ge­fördert wurden. M. stützt sich dabei auf wesentliche Quellen (u. a. auf den Nachlaß Baernreither im Haus-, Hof- und Staatsarchiv), doch hätte gerade hier ein eingehendes Aktenstudium sicher noch weiter geführt. Der Verf. kommt zu dem Ergebnis, daß der Aufschwung der sehr ausführlich und kritisch erörterten Ideen Naumanns, die besonders in der Donaumonarchie starken Widerhall fanden, in erster Linie auf den Druck der Wirtschafts­blockade zurückgeht, die somit für den Mitteleuropagedanken die entschei­dende Zäsur darstellt. Tatsächlich war das mitteleuropäische Konzept in der deutschen Politik der Vorkriegszeit und in der öffentlichen Meinung Deutschlands noch vielfach von Weltproblemen überschattet gewesen. Aber auch im Ersten Weltkrieg selbst fanden die Ideen Naumanns in Deutsch­land nur beschränkte Sympathien, in alldeutschen und kolonialen Kreisen sogar heftigen Widerstand. Nach dem Höhepunkt der militärischen Erfolge in Südosteuropa 1916 wandte sich das Interesse der maßgebenden deutschen Militärs, die ihre Kriegsziele immer nur im Osten und Westen der Reichs­grenzen gesucht hatten, seit dem Untergang des Zarenreiches Osteuropa zu. Der Zusammenbruch der Mittelmächte besiegelte 1918 endgültig das Schick­sal der Pläne Naumanns. Er selbst hat das Kriegsende nicht mehr lange überlebt. Der letzte Zeitabschnitt (nach 1918, Kap. XII) behandelt nur kurz die Wandlungen der Mitteleuropa-Idee bis Hitler. Dabei stützt sich der Verf. auch auf die Befragung unmittelbar Beteiligter, u. a. Srbiks im Zusammen­hang mit der gesamtdeutschen Geschichtsauffassung. M. weist nach, wie die primär nicht nationalistische Mitteleuropa-Idee von nationalsozialisti­scher Seite mißbraucht und verfälscht wurde. Ein sehr nützliches biblio­graphisches Kapitel beschließt das Werk. Im Index wäre für Richard Riedl das Todesdatum 1944 nachzutragen. Als erster klärender Versuch ist diese Studie sehr zu begrüßen. Daß viele Partien oft etwas abseits vom engeren Thema liegen, dürfte in der Materie und im Stand der Forschung begründet sein. Es wäre sehr zu wünschen, daß das vorliegende Buch zu weiteren Untersuchungen, vor allem über die diplomatischen und machtpolitischen Aspekte der ange­schnittenen Fragen anregt. Rudolf Neck (Wien). Taylor A. J. P., The Struggle for Mastery in Europe 1848—1918. (Oxford History of Modern Europe.) Oxford, Claredon Press. London, Cumberlege. XXXVI und 638 Seiten mit 18 Skizzen und Karten. Mit dem vorliegenden Werk eröffnet Oxford als Gegenstück zu der nunmehr bald abgeschlossenen Oxford History of England eine neue Reihe, die in voraussichtlich 16 Bänden die Geschichte Europas seit 1789 behan­deln soll. Der größte Teil der Serie wird der Geschichte der einzelnen Staa­ten und Ländergruppen gewidmet sein, der Rest ist für historische Über­blicke über allgemeine Gebiete (Geistesleben, soziale und wirtschaftliche Entwicklung usw.) vorgesehen. Mit den internationalen Beziehungen be-

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