Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WAGNER, Hans: Die Briefsammlung Gauchez

574 Archivberichte Datum festgestellt. Diese Arbeit dauerte einige Monate, führte aber schließlich zur Ordnung aller Briefe2). Dann wurde mit Hilfe einschlägiger Lexika und biographischer Sammelwerke ein alphabetisches Verzeichnis der Briefe nach den Absendern hergestellt, die mit einiger Sicherheit identifiziert werden konnten. Von insgesamt 392 Briefabsendern konnten 310 aus biographischen Werken und 26 nach der Unterschrift als bekannte Persönlichkeiten, Mitarbeiter der Zeitschrift „L’Art“, Advokaten u. ä. be­stimmt werden, bei weiteren 56 blieb der Schreiber bei bloßer Nennung eines Adelstitels oder des Familiennamens nicht näher feststellbar. Bei ungefähr 100 Briefen gelang die Entzifferung der Unterschrift nicht. In den Behelf wurden insgesamt 1324 Briefe aufgenommen, zusammen mit ungefähr 100 unvollständigen Briefen und den 100, deren Absender nicht eruiert werden konnte, umfaßt die ganze Sammlung über 1500 Briefe. Schon bei der ersten Durchsicht konnte festgestellt werden, daß die Mehrzahl der Briefe aus der Korrespondenz des Pariser Kunsthändlers Léon Gauchez und der mit ihm in Zusammenhang stehenden Kunstzeit­schrift „L’Art“, die von 1875 bis 1893- in Paris erschienen ist, bestand. Unter den Korrespondenten finden sich viele im letzten Viertel des vori­gen Jahrhunderts in Frankreich bekannte und erfolgreiche Künstler, Kunst­historiker, Kritiker, Schauspieler und Schriftsteller. Auch ein Teil der Geschäftskorrespondenz des Kunsthändlers mit prominenten Kunden oder Verkäufern von Kunstwerken, wie etwa mit Angehörigen des Hauses Roth­schild, den Fürsten Borghese, Torlonia und Metternich, hat sich erhalten. Die Durchsicht der Briefinhalte ergab interessante Angaben zur Geschichte des Kunsthandels, der zeitgenössischen Künstler und der allgemeinen Kul­turgeschichte des Fin de siede in seinem Hauptzentrum, dem glanzvollen Paris der Jahrhundertwende. So wurde auch dieser zweite Teil der Samm­lung vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv erworben. Über das Zustandekommen und über den Hauptinhalt der Sammlung soll der folgende Bericht kurz Aufschluß geben. Auf die Benützung ein­schlägiger Literatur für Einzelpersonen und -fragen mußte wegen der großen Zahl der Briefschreiber und wegen der bedauerlichen Unzuläng­lichkeit der Wiener Bibliotheken für französische Literatur zum größten Teil verzichtet werden. Der Kunsthändler Léon Gauchez und die Zeitschrift „L’Art“. Die Zentralfigur der Briefsammlung ist der Industrielle und Kunst­händler aus Brüssel Léon Gauchez. Er hat die meisten Korrespon­denzen geführt und viele Autographen von Bekannten und Auktionen er­worben. Seine Sammlung gelangte dann an seinen Cousin, den belgischen Gesandten in Paris, Alfred Le Ghait, der sie noch durch seine eigene Korrespondenz vermehrt hat. Über die Lebensgeschichte von Gauchez erfährt man in den Briefen Näheres nur aus einem Schreiben eines Brüs­2) Die Restaurierung der Briefe konnte allerdings wegen der Überlastung der Restaurierwerkstätte des Archivs mit dringenderen Arbeiten bisher noch nicht vollendet werden.

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