Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WAGNER, Hans: Die Briefsammlung Gauchez

Die Briefsammlung Gauchez. Von Hans Wagner (Wien). Die Erwerbung und Ordnung der Sammlung. Im Herbst 1954 bot Herr Rittmeister Karl von Stein dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv eine Sammlung französischer Autographen, vornehmlich aus dem 19. Jahrhundert, aus dem Nachlaß seines Schwiegervaters, des belgischen Gesandten in Wien, Exzellenz Raymond Le Ghait, zum Kauf an. Die Sammlung bestand aus ungefähr 150 Briefen von berühmten Schrift­stellern, Musikern und Künstlern, die meist auf Auktionen gekauft worden waren. Das beweisen die Umschläge der einzelnen Stücke, die oft mit Ausschnitten aus gedruckten Auktionskatalogen versehen sind. Die mit der Begutachtung beauftragten Beamten1) erkannten den hohen Wert der einzelnen Autographen und rieten zum Kauf. Nach der Erwerbung dieser Briefe durch das Haus-, Hof- und Staats­archiv brachte Rittmeister von Stein in einem großen Paket weitere, aus derselben Sammlung stammende Briefe, wie sich später herausstellte, über 1200 Stück. Die Ursache, warum diese zweite Partie nicht gleich anfangs mit zum Kauf angeboten wurde, liegt auf der Hand. Die Briefe waren Stück um Stück in zwei oder mehrere Teile zerrissen und vollständig durchein­andergebracht. Der Verkäufer berichtete, daß sie im Jahre 1945 nach dem Einmarsch der Russen von ihm im Gebäude der ehemaligen belgischen Gesandtschaft in Wien in diesem Zustand aufgefunden worden waren. Die von ihm zuerst angebotene Partie war schon früher als besonders wertvoll ausgesondert worden und dadurch dem gleichen Schicksal entgangen. Wel­chen Motiven dieses vandalische Vorgehen entsprungen ist, wird wohl nicht mehr festzustellen sein. Jedenfalls zeigten die späteren Ordnungsarbeiten, daß die Briefe durchwegs nicht beschmutzt waren und sich zum weitaus überwiegenden Teil wieder vollständig ergänzen ließen. Vom ersten, unzerstörten Teil der Sammlung war vom Verfasser dieses Berichtes ein Verzeichnis hergestellt worden. Rittmeister von Stein hatte darin einige wertvolle Briefe vermißt. Dadurch wurde er erst bewogen, den zweiten, ihm völlig entwertet scheinenden Teil ebenfalls dem Archiv zu übergeben. Der Auftrag an den Verfasser dieses Berichtes lautete zu­nächst dahin, aus diesem Wust von Zetteln einige wertvollere Briefe her­auszufinden. Es stellte sich bald heraus, daß ein solches Vorgehen unmög­lich war; zur Auffindung auch nur dieser Stücke war der einfachste Weg immer noch, alle Briefe nach und nach zu ergänzen und die vollständigen auszuscheiden. Die Teile jedes Briefes wurden dann in einen Umschlag gelegt und nach Möglichkeit gleich der Absender, der Adressat und das 0 Staatsarchivar Dr. Anna Coreth und Staatsarchivar Dr. Richard Blaas.

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