Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

CHRISTOPH, Paul: Dokumente zu den Restaurationsversuchen des Königs Karl IV. von Ungarn

Dokumente zu den Restaurationsversuchen des König Karl IV. 539 Politisches Bulletin vom 8. März 1921. Herr Ludwig Szilágyi, der gestern eine Rede zum Projekt eines Gesetzes um „die soziale Ordnung wirksam zu verteidigen“, hielt, hat dann in den Wandelgängen durchblicken lassen, daß es sich um ein von ungarischen, österreichischen und bayerischen monarchistischen Offizie­ren aufgezogenes Komplott handle. Man hält Szilágyi für sehr gut informiert, weil er persönliche Freunde im Kriegsministerium hat. Die bayerischen Monarchisten haben hier ohne Zweifel ihre Hände im Spiel. Man sagt, daß ein bayerischer Kurier einige Tage in Budapest geweilt hat, um anzukündigen, daß die Bayern demnächst einen monarchistischen Handstreich versuchen werden. Gleichzeitig sprechen die Offiziere von einem „Teufelsprojekt“ der Bayern. Um „die Sanktionen“ von seiten der Entente zu vermeiden und fast die ganze Last der Reparationen auf Preußen zurückfallen zu lassen, wollen die Bayern der Entente ihre Tren­nung vom „Reich“ unter der Bedingung vorschlagen, daß die Entente die Vereinigung Österreichs mit Bayern akzeptiert. Ungarn würde in diesem Falle seinen Habsburger haben und eine Zollunion mit Süd­deutschland bilden. Der französische Minister in München soll für dieses Projekt gewon­nen sein. Der Plan ist diabolisch, weil „es sich von selbst versteht, daß die Bayern die erste Gelegenheit ergreifen würden, um sich mit dem Reich zu vereinigen und so mit Österreich das Ideal der deutschen Ein­heit zu vollenden“. Szilágyi hat den ganzen Plan der Staatsstreichler aufgedeckt: Auf­lösung des Parlaments, Militärregierung, Konfiskation von Eigentum (jüdisches), vor allem der Banken, Ausgabe von Nationalgeld usw. Politisches Bulletin vom 29. März 1921. Der Abgeordnete Aladár Balla will Teleki wegen eines Interviews Horthys interpellieren. Der Regent soll bei dieser Gelegenheit erklärt haben, daß der frühere Kaiser von Österreich, Karl, noch immer der legitime König von Ungarn, und er, Horthy, sein Reichsverweser sei, und daß er die Regierungsgewalt nur Karl übergeben werde. Man sagt, daß Teleki sein möglichstes tut, um Balla daran zu hindern, diesen Zwischenfall vor die Nationalversammlung zu bringen; und ich erfahre von einem Freund Bailas, daß Teleki selbst die Erklärung des Reichsverwesers „in diesem Augenblick“ mißbilligt. Aus dieser Erklärung geht hervor, daß Horthy nicht nur an die Restauration der Habsburger in Ungarn, sondern auch in Wien denkt, da er vom „Kaiser“ Karl spricht. Eine solche Sprache kann nur die außenpolitische Situation Ungarns schwieriger gestalten und die italienisch-serbische, durch den Vertrag von Rapallo gefestigte Entente,

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